Evangelische Kirche:Die Frau für das Synodenshizzle

EKD-Präses Anna-Nicole Heinrich

Anna-Nicole Heinrich fungiert jetzt als Präses der 13. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Die 25-jährige Anna-Nicole Heinrich bringt als Präses ziemlich frischen Wind in die Evangelische Kirche.

Von Annette Zoch

Sie sagt nicht "liebe Geschwister", nicht "verehrte hohe Synode": Mit einem lakonischen "Sooo", beginnt die Präses der EKD-Synode ihre Rede. "Das erste Mal hier am Rednerpult." Und dann grinst Anna-Nicole Heinrich, als könnte sie es selbst noch nicht glauben. Zum ersten Mal leitet Heinrich die Tagung des höchsten evangelischen Kirchenparlaments. Die 25-Jährige bringt einen ungewöhnlichen Sound in diese gerne auch mal dröge Veranstaltung. "Ich fänd's ziemlich tight, wenn wir den Chat nicht zuspammen", sagt sie bei der Vorstellung des digitalen Abstimmungstools.

Ihre Follower auf Instagram hatte sie vorher gefragt: "Habt ihr Fragen zu Synodenshizzle? Dann haut raus!" Wie viele Oberkirchenräte danach wohl das Wort "Shizzle" gegoogelt haben? (Sehr frei und auch etwas diplomatischer übersetzt heißt es so viel wie "Synodenzeug".) Bei der Verabschiedung des scheidenden Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm sagte sie: "Ich habe mir erlaubt, von der Blumenordnung der EKD abzusehen", und überreichte ihm statt des obligatorischen Bouquets ein paar Pinguin-Socken. ("Weil Pinguine ein dickes Fell haben und aufrecht ins Leben gehen.")

Konfessionslos aufgewachsen, ließ sie sich erst als Schülerin taufen

Was herrschte für ungläubige Begeisterung, gemischt mit einer guten Portion Skepsis, als im Mai die EKD-Synode Anna-Nicole Heinrich zu ihrer Chefin wählte, ins wichtigste evangelische Ehrenamt. Die Studentin folgte auf die 79-jährige Bundesministerin a.D. Irmgard Schwaetzer. Heinrich macht derzeit einen Master in "Digital Humanities" an der Uni Regensburg und arbeitet mit einer halben Stelle an der Fakultät für Katholische Theologie.

Ihre Familie stammt aus Thüringen, sie ist konfessionslos aufgewachsen. Erst als Schülerin ließ sie sich gemeinsam mit ihrer Mutter evangelisch taufen, in der protestantischen Diaspora, in der Oberpfalz. Der evangelische Religionsunterricht hatte ihr den Glauben nahegebracht. Später tauchte sie auch tief in die evangelische Verbandsarbeit ein, Heinrich ist Vizevorsitzende der Evangelischen Jugend und gehörte dem sogenannten "Zukunftsteam" des Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm an.

Jugendliche Frische allein befähigt allerdings nicht zwingend zu einem so herausfordernden Amt. Die Zeiten, auch für die evangelische Kirche, sind alles andere als leicht. Kirchenaustritte, Geldmangel, Umbauprozesse, das Missbrauchsthema, all das betrifft die Protestanten genauso wie die Katholiken.

"Was ist unsere Mission, im Hier und Jetzt?"

Doch auf der Tagung der EKD-Synode hat Anna-Nicole Heinrich gezeigt, dass sie das Amt nicht nur mit coolen Sprüchen füllt, sondern auch mit Kompetenz und Inhalten. Souverän, ruhig und mit großer Präzision lenkt sie die Tagung - obwohl sie nur Stunden vor Beginn komplett umgeplant werden musste. Es hatte einen Impfdurchbruch gegeben, die Präsenztagung wurde ins Internet verlegt. Heinrich, die viel Erfahrung hat mit Hackathons und digitalen Tagungen, konnte das nicht schrecken.

"Raus ins Weite" sind die zwölf Leitsätze für die Zukunft der Kirche überschrieben, an denen Heinrich mitgewirkt hat - "raus aus der Bubble" hat sie es selbst genannt. Im Sommer war sie 30 Tage lang auf "Präses-Tour" mit Rucksack quer durchs Land gereist. Ihre zentrale Beobachtung: Es sei wichtig, Menschen in ihrem Alltag zu treffen und nicht immer nur im Kirchenkontext. "Viele, die für uns vermeintlich kirchen- und glaubensfern sind, sind viel offener, als wir ihnen zutrauen", sagt Heinrich. "Besonders Menschen mit einer großen Distanz zu Kirche sind interessiert an Themen zwischen Himmel und Erde, Gott und der Welt."

Mit diesem Wissen im Hintergrund müsse auch die Kirche raus ins Weite, fordert Heinrich: "Es kann nicht darum gehen, den Status quo um jeden Preis zu bewahren, sondern wir müssen uns immer wieder die Frage stellen: Wozu sind wir evangelische Kirche, was ist unsere Mission, im Hier und Jetzt?"

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