Kritik:Räuberpistole mit Puppenspiel

Der Troubadour Staatstheater Nürnberg

Expressiv als Leonora: Emily Newton in "Der Troubadour - Il Trovatore" am Staatstheater Nürnberg.

(Foto: Bettina Stoess)

Regisseur Peter Konwitschny inszeniert am Staatstheater Nürnberg Giuseppe Verdis "Der Troubadour - Il Trovatore" - und setzt auf eine wenig subtile Ironisierung der hanebüchenen Geschichte. Musikalisch überzeugt der Abend unter der Leitung von Lutz de Veer.

Von Klaus Kalchschmid, Nürnberg

Auf vier Stühlen konzentriert sich am Ende endlich das Drama. Vorher dominierten am Staatstheater Nürnberg Puppenspiel, Räuberpistole und immer wieder die wenig subtile Ironisierung der hanebüchenen Geschichte von Giuseppe Verdis "Der Troubadour - Il Trovatore": "Zigeunerin" Azucena entführte einst aus Rache für den Tod am Scheiterhaufen der Mutter, die einen Jungen verhext haben soll, eben dieses Kind, den zweiten Sohn des alten Grafen Luna. Die später gefundenen Knochen freilich stammen von Azucenas eigenem Jungen, den sie versehentlich hineinwarf, während sie später Grafen-Sohn Manrico als ihren eigenen aufzieht. Am Ende gesteht sie dem jungen Grafen Luna, dass er mit Manrico seinen eigenen Bruder hinrichten ließ, der Krieg-Feind und Rivale um die Liebe Leonoras war. Die wiederum versprach ihm ihren Körper, um das Leben des Geliebten zu retten, nimmt aber Gift, um das Versprechen nicht einlösen zu müssen. Mit einem verzweifelten Lachen, das noch in die Stille nach dem Ende der Musik gellt, bleibt Graf Luna am Ende zurück, während alle anderen stumm die Bühne verlassen.

Da ist sie wieder: Peter Konwitschnys jahrzehntelang geniale Fähigkeit der Brechung einer dramatischen Situation, um sie zur Kenntlichkeit zu entstellen. Nicht zuletzt mit seinen drei Wagner-Inszenierungen an der Bayerischen Staatsoper ("Holländer", "Tristan" und "Parsifal") hat er das bewiesen, aber auch legendär mit Verdis "Don Carlos" in Hamburg und Wien. Doch von dieser Sprengkraft, die der klugen Analyse von Figuren eine fantasievolle Umdeutung folgen lässt, ist bei der 76-jährigen Regietheater-Legende wenig geblieben. Die Endproben überließ er denn auch seiner Co-Regisseurin Marie-Christine Lüling.

Bis zur Hälfte der gut zweistündigen, pausenlosen Aufführung verdoppeln die Protagonisten ihr Spiel mit Puppen, die stellvertretend sich schlagen oder geköpft werden, bis schließlich das Puppentheater auf leerer Bühne (Timo Dentler und Okarina Peter, die beide auch für die Kostüme verantwortlich waren) mit einem großen Knall zerbirst. Da wollen Manrico wie Luna "ihre" Leonora aus dem Kloster entführen und zerren, umgeben von betrunkenen Soldaten auf der einen und Pistolen-bewehrten Nonnen auf der anderen, wie im Slapstick an ihr, bis schließlich alle zu Boden gehen und Tenor mit Sopran davonstürmt.

Die Staatsphilharmonie bietet eine musiktheatralisch spannende Leistung

Ach, wäre das Ganze doch konzertant gewesen, denn musikalisch überzeugte der Abend. Dass Angelos Samartzis als Manrico gesundheitlich noch etwas angeschlagen war, hörte man seinem schönen, in der Höhe mühelos durchschlagskräftigen Tenor, der allerdings nicht gerade geschmeidig geführt war, kaum an. Sangmin Lee gab mit ausdrucksvollem Verdi-Bariton den Grafen Luna und spielte am Ende authentisch den Betrunkenen, während Emily Newton als Leonora expressiv sang, aber Leuchtkraft vor allem in der Höhe vermissen ließ.

Und dann war da als Azucena die erfahrene, reife Dalia Schaechter. Was sie an sattem Mezzo in der Tiefe nicht mehr aufbieten kann und in Sprechgesang wechseln muss, während die Höhe mit guter Technik gemeistert wurde, macht sie mit ungemein ausdrucksvoller Gestaltung und enormer schauspielerischer Präsenz wett. Davon könnten ihre Kollegen noch lernen.

Famos sangen Chor und Extrachor des Staatstheaters Nürnberg, vor allem die viel beschäftigen Männer. Und auch die Staatsphilharmonie bot unter Leitung von Lutz de Veer eine in Dynamik und Farben differenzierte, musiktheatralisch spannende Leistung.

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