Bundeswehr gegen Airbus: "Wie sieht's aus?"

Konflikt in Afghanistan - Taschkent

Geflüchtete im August 2021 in einer "A400M": Die Bundeswehr hatte mit den Transportmaschinen eine Luftbrücke aus Afghanistan errichtet und mehr als 5000 Menschen ausgeflogen.

(Foto: Marc Tessensohn/dpa)

Selten dringt ein Konflikt der Bundeswehr mit der Industrie so offen an die Oberfläche: Über Twitter beschwert sich die Luftwaffe, dass gerade zu viele Transportmaschinen gleichzeitig bei Airbus gewartet werden. Was steckt dahinter?

Von Mike Szymanski, Berlin

Für eine so straff durchorganisierte, auf Vorschriften und Dienstwege bedachte Organisation wie die Bundeswehr war es eine durchaus bemerkenswerte Art, eine Beschwerde loszuwerden: Am Dienstag vergangener Woche veröffentlichte die Luftwaffe auf ihrem offiziellen Twitter-Account ein Foto vom Fliegerhorst im niedersächsischen Wunstorf. Es zeigte die Parkfläche neben der Rollbahn. Dort sollten eigentlich, wenn es nach den Wünschen der Luftwaffe geht, mindestens 30 einsatzbereite A400M-Transportflugzeuge stehen. Das Lufttransportgeschwader 62 ist der Heimatverband für die Flieger. Auf dem Foto waren aber nur fünf Maschinen zu sehen.

"Fast schon gähnende Leere in Wunstorf", kommentierten die Luftwaffen-Leute das Bild. Sie versahen es mit einer Frage, adressiert direkt an den A400M-Hersteller, die Firma Airbus: "Wie sieht's aus? Kommen bald ein paar aus der Instandsetzung?"

Die Bundeswehr liegt mal wieder im Clinch mit der Industrie. Aber selten dringt ein Konflikt so offen an die Oberfläche. Wer bei der Luftwaffe nachfragt, bekommt das Problem in Zahlen ausgedrückt: Über 35 Maschinen vom Typ A400M verfügt die Luftwaffe, derzeit stünden aber 20 bei Airbus, damit dort die regelmäßigen Checks und Reparaturen durchgeführt werden. Das Unternehmen kommt mit den Wartungsarbeiten kaum hinterher.

Es gibt Leute in der Luftwaffe, die spotten, das Geschwader habe mittlerweile einen neuen Standort - nämlich die Werkshallen von Airbus im bayerischen Manching.

Die Luftwaffe kann über mehr als die Hälfte ihrer Transportmaschinen derzeit nicht verfügen - ein Umstand, der in Bundeswehrkreisen als alarmierend beschrieben wird. Eigentlich sollte nicht mehr als ein Drittel der A400M gleichzeitig in der Inspektion sein. Noch, heißt es in der Luftwaffe, könnten die Einsätze alle sichergestellt werden, aber bei Aus- und Weiterbildung mache sich schon bemerkbar, dass Flieger fehlten.

"Unbefriedigende technische Produktreife"

Wie wichtig eine hohe Einsatzbereitschaft der A400M-Transporter ist, hatte sich im vergangenen Sommer gezeigt. Nach dem überhasteten Abzug der internationalen Truppen hatten die Taliban in Afghanistan so schnell wieder die Kontrolle übernommen, dass deutschen Staatsbürgern, ehemaligen afghanischen Helfern und anderen Schutzbedürftigen kaum Zeit blieb, das Land zu verlassen.

In einer dramatischen Evakuierungsoperation hatte die Bundeswehr eine Luftbrücke mit den A400M-Transportmaschinen errichtet und mehr als 5000 Menschen ausgeflogen. Sieben Flugzeuge wurden gebraucht - von einem Tag auf den anderen, und ohne, dass es Abstriche bei anderen Aufgaben geben sollte. Der Evakuierungseinsatz in Afghanistan galt als erste wirklich große Bewährungsprobe für die A400M-Transporter in einem echten, brenzligen Einsatz.

Der erste Airbus A400M wurde 2014 an die Bundeswehr übergeben. Seine Geschichte begann indes als "Pannenflieger", weil die Industrie anfangs Schwierigkeiten hatte, die vielen technischen Probleme in den Griff zu bekommen. 2015 stürzte eine A400M bei einem Testflug ab. Noch heute ist im Bericht über die materielle Einsatzbereitschaft von einer "unbefriedigenden technischen Produktreife" die Rede, weshalb Maschinen häufig in der Instandsetzung seien.

Bei Airbus zeigte man sich, das verlautete aus dem Unternehmen, gelinde gesagt, überrascht davon, per Twitter regelrecht zur Rede gestellt zu werden. Die Antwort erfolgte ein paar Stunden später, ebenfalls über diesen Kanal. Sie hätten nachgeschaut: "Bis Jahresende liefern wir euch noch 7 fertig gewartete A400M, plus 2 nagelneue. Einen davon habt ihr ja heute schon bekommen." Sie seien dran, heißt es noch, und: "Herzliche Grüße, Euer Team Airbus".

Kritik trifft Airbus hart

Aber herzlich ist das Verhältnis zwischen Luftwaffe und Airbus schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Schon beim Kampfjet Eurofighter hatten sich Luftwaffe und Airbus lange gegenseitig die Verantwortung für die schlechte Einsatzbereitschaft der Maschinen gegeben. Die Zusammenarbeit bei der Wartung musste erst neu ausgehandelt werden, bis sich die Lage allmählich verbesserte.

Aus dem Unternehmen heißt es, die Luftwaffe schicke manche A400M-Maschinen früher als geplant, auch deshalb fülle sich der Standort Manching mit Fliegern der Bundeswehr. Andererseits treten manche Auffälligkeiten der noch jungen Maschinen zum ersten Mal auf, Ersatzteile stünden dann nicht sofort zur Verfügung. Man sei mit der Luftwaffe im Gespräch, Abläufe und Absprachen müssten verbessert werden. Im Laufe des ersten Halbjahres 2022 würde sich die Lage entspannen.

Die Kritik der Luftwaffe trifft Airbus auch deshalb so hart, weil das Unternehmen gerne weitere Flugzeuge an die Bundeswehr verkaufen möchte, wenn die Bundeswehr die altersschwachen Tornado-Jets ausmustert. In der Luftwaffe wünscht man sich jedoch einen Flieger eines anderen Herstellers - um nicht komplett von Airbus abhängig zu sein.

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