Migration über Belarus:Merkel telefoniert mit Lukaschenko

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Polnische Sicherheitskräfte (Hintergrund) im Grenzgebiet zwischen Polen und Belarus. (Foto: imago images/Oksana Manchuk/ITAR-TASS)

50 Minuten lang spricht die Kanzlerin mit dem belarussischen Machthaber, es geht um die Eskalation an der Grenze zu Polen. Weitere Gespräche sollen folgen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat erstmals mit dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko über die Flüchtlingskrise an der EU-Außengrenze gesprochen. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin mit. Es sei bei dem Telefonat um "die schwierige Situation an der Grenze zwischen Belarus und der Europäischen Union" gegangen.

Nach einem Bericht des belarussischen Staatsfernsehens dauerte das Gespräch etwa 50 Minuten. Dabei sei etwa besprochen worden, wie eine Eskalation der Lage an der Grenze verhindert werden könne. Es sei zudem um eine humanitäre Unterstützung von den im Grenzgebiet festsitzenden Migranten gegangen. Nach Angaben von Seibert haben Merkel und Lukaschenko weitere Gespräche vereinbart. Die EU wirft Lukaschenko vor, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen. Vermutet wird, dass er sich damit für die EU-Sanktionen rächen will.

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Von Josef Kelnberger

Es war das erste Mal seit der umstrittenen Präsidentenwahl im August vergangenen Jahres in Belarus, dass Merkel mit Lukaschenko gesprochen hat. Die EU erkennt ihn wegen des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten nicht mehr als Präsidenten an. Es wurden Sanktionen gegen das Land verhängt.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin telefonierten. Sie seien sich einig gewesen über die Notwendigkeit einer Deeskalation der Migrantenkrise, sagte ein französischer Regierungsbeamter nach dem knapp zweistündigen Gespräch. "Ziel dieses Anrufs war, der Krise ein Ende zu setzen." Über den Ursprung des Konflikts sei man sich nach wie vor allerdings nicht einig. Die EU wirft Lukaschenko vor, als Reaktion auf bestehende Sanktionen die Migranten in sein Land und dann weiter an die EU-Außengrenze zu Polen zu schleusen.

Putin hatte am Wochenende die Erwartung geäußert, dass Merkel mit Lukaschenko ins Gespräch kommt. Auch unter den Migranten sind die Erwartungen an Deutschland groß.

EU bringt neue Sanktionen auf den Weg

Die Außenminister der EU-Staaten beschlossen am Montag ein neues Sanktionsinstrument gegen Beteiligte an der Schleusung von Migranten nach Belarus. Die EU werde nun Personen und Einrichtungen ins Visier nehmen können, die einen Beitrag dazu leisteten, dass das belarussische Regime Menschen für politische Zwecke instrumentalisieren könne, teilte der Rat der Mitgliedstaaten mit.

Polen wolle noch in diesem Jahr mit dem Bau einer dauerhaften Befestigung an seiner Grenze zu Belarus beginnen, schrieb Innenminister Mariusz Kaminski auf Twitter. Polen hat bereits einen provisorischen Zaun entlang der Grenze errichtet. Dabei handelt es sich um einen Stacheldrahtverhau von etwa 2,50 Metern Höhe. Dieser soll nun von einer dauerhaften Barriere von 5,5 Metern Höhe ersetzt werden, die mit Bewegungsmeldern und Kameras ausgerüstet ist.

Nach Angaben der polnischen Polizei hat am Montagabend eine Gruppe von mehreren Hundert Migranten vergeblich versucht, die Grenzbefestigung zu überwinden. Polizeibeamte, Grenzschützer und Soldaten seien bei dem Vorfall nahe dem Dorf Starzyna mit Steinen beworfen worden, sagte ein Sprecher. Dagegen war die Lage bei dem Grenzübergang Kuznica, wo nach polnischen Angaben im Laufe des Tages auf der belarussischen Seite 3500 Migranten zusammengekommen waren, am Abend vorerst ruhig.

© SZ/Reuters/dpa/jael - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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