2 G im Profisport:Es dürfte sich niemand beschweren

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Muss im Moment ständig zur Bebilderung von Impfdebatten dienen: Joshua Kimmich. (Foto: Matthias Koch/imago)

Es ist ein großes Stück Populismus dabei, wenn Politiker eine Impfpflicht für Profisportler fordern. Begründen kann man sie trotzdem.

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Ist es Populismus? Um die Frage direkt zu beantworten: Vermutlich ja. Denn welchen Grund soll es sonst geben, dass die Politik in Person von Hendrik Wüst, CDU-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sich auf prominenter Bühne für eine Impfpflicht für Profisportler ausspricht? Sind Profisportler ein besonderer Pandemietreiber? Nein. Haben Profisportler sehr viel Kontakt mit vulnerablen Personen? Nein. Sind Profisportler selbst besonders gefährdet? Nein, eher im Gegenteil.

Warum es passiert, ist trotzdem klar: Weil Profisportler spätestens seit der Debatte um Joshua Kimmich ein populäres Beispiel sind. Und weil die Politik natürlich gern jede Chance wahrnimmt, den Fokus von eigenen Versäumnissen wegzulenken.

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Allerdings: So wie Wüst es begründet - stellvertretend für die Runde der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, deren Meinung "einhellig" gewesen sein soll -, kann man schon diskutieren. Es erscheint ja definitiv unfair, dass in ein Stadion oder in eine Halle nur geimpfte und genesene Personen dürfen, auf dem Spielfeld aber andere Regeln gelten. Im US-Bundesstaat New York befand die Politik, dass diese Ungleichbehandlung nicht zulässig ist und verweigerte ungeimpften Sportlern den Zutritt zu Sportstätten.

In Deutschland greift bisher aber eine andere Unterscheidung, nämlich die zwischen Freizeitwelt und Arbeitswelt. Hier wird der Profisportler nicht in erster Linie als Mensch betrachtet, der eine Sportstätte betritt, sondern als Arbeitnehmer. Insofern müssen für ihn die gleichen Regeln gelten wie für Lehrerinnen, Ingenieure, Fließbandarbeiterinnen oder auch den Bratwurstverkäufer im Stadion, solange er noch Bratwurst verkaufen darf.

Der Profifußball beschwört gern die Verbindung zu den Amateuren - aber für die gelten andere Regeln

Ab dieser Stelle fängt die Debatte an detailreich zu werden. Denn man könnte natürlich - neben allen anderen Argumenten, die für eine Impfung sprechen - sagen, dass der Profisportler direkt von einer hohen Impfquote profitiert (Stichwort: volle Stadien) und deswegen eine besondere Bringschuld hat. Vorbildfunktion, klar, ist natürlich immer ein Punkt. Auch beschwört der Profifußball gern seine Verbindung mit den Amateuren. Beim VfB Bösingen, seinem Heimatverein, dürfte Kimmich gegebenenfalls nicht mehr kicken, beim FC Bayern darf er es (noch). Wenn er nicht gerade wieder, als Kontaktperson ersten Grades eingestuft, in Quarantäne muss.

Je nach Bezugsrahmen kann man also zu der einen oder anderen Entscheidung kommen. Und es wäre an dieser Stelle insbesondere dem Profifußball zu raten, sich bei einer entsprechenden Pro-2-G-Bestimmung bloß nicht zu beschweren. Ja, andere Berufszweige würden dann anders behandelt. Aber andere Berufszweige sind möglicherweise auch anders durch die Pandemie gekommen.

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Jenseits aller juristischen und ethischen Abwägungen scheint es aktuell ohnehin darauf hinauszulaufen, dass die Realität der Politik die Entscheidung abnehmen wird. Denn das Virus diskutiert nicht. Angesichts von Inzidenzen von teilweise über 1000 ist es kaum noch möglich, Corona auszuweichen. Wenn man sich also nicht den ganzen Winter über in seiner Wohnung einsperren will - und Profisportler sind nicht dafür bekannt, das zu tun -, trifft es früher oder später nahezu jeden. Entweder man geht dann als ungeimpfte Kontaktperson in Quarantäne. Oder man hat einen positiven PCR-Test und gilt nach einiger Zeit als genesen. Am Ende wird also sowieso eine überwältigende Anzahl an Menschen 2 G sein. Egal, welche Regeln kommen.

Der große Unterschied ist natürlich: Wer sich impft, schützt sich und andere. Wer sich impft, trifft vorbereitet auf das Virus, belegt sehr wahrscheinlich kein Intensivbett, bindet nicht die völlig erschöpfte Arbeitskraft einer Ärztin oder eine Krankenpflegers, steckt andere Menschen weniger wahrscheinlich an. Aber das sind die mittlerweile wohlbekannten Argumente, die eigentlich in jeder Branche komplett ausreichen sollten, um sich freiwillig impfen zu lassen.

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