Kommentar:Gefährliche Halbherzigkeit

3 G im ÖPNV steht lediglich für politischen Aktionismus. In der Praxis wird das nicht funktionieren

Von Peter Bierl

Das Sommermärchen ist vorbei, die Vorstellung, dass die Corona-Pandemie allmählich ausläuft, weil sich genügend Leute impfen lassen. Das Märchen haben all jene Politiker mitgefördert, die im Wahlkampf suggerierten, man könne die Maßnahmen schrittweise beenden, dass keine weiteren Einschränkungen, gar Impfzwang oder Lockdown notwendig seien, um schwere Erkrankungen und Todesfälle zu vermeiden. Geradezu aberwitzig war es, Impfzentren einzumotten, statt mehr Dependancen in Gemeinden und mobile Teams aufzubieten.

Im zweiten Jahr schon wurden die Warnungen von Wissenschaftlern in den Wind geschlagen statt sich auf einen harten Pandemie-Winter vorzubereiten. Parallelen zum Klimawandel und seinen verheerenden Folgen liegen auf der Hand. Jetzt ist wieder hektischer Aktionismus der Politiker angesagt, ernste Mienen und Entschlossenheit suggerieren. Die Praxis sieht anders aus, Maßnahmen wie die neue 3-G-Regel in Bus und Bahn sind nicht praktikabel. Wer das ernsthaft wollte, müsste etwa am Brucker Busbahnhof eine starke Truppe aufmarschieren lassen, mit der Fähigkeit und Entschlossenheit, alle Fahrgäste zu kontrollieren und Zuwiderhandelnde gar nicht erst in die Busse steigen zu lassen. Das ginge vielleicht gerade noch an ein paar zentralen Stationen, aber nicht bei einem Netz von Haltestellen. Stattdessen wird es ein paar stichprobenartige Kontrollen geben und die Maßnahme im Sande verlaufen.

Ausbaden müssen diese Ignoranz und Halbherzigkeit jene, die schwer erkranken oder ihren Job in unmittelbarem Kontakt mit Menschen verrichten, die Kassiererin im Supermarkt, die Lehrerin im Klassenzimmer oder die Busfahrer, die auf die Maskenpflicht hinweisen. Sie setzen sich damit einem hohen Risiko für Leib und Leben aus, weil die Querdenker-Szene zunehmend aggressiver auftritt. Schon vor Monaten hatte ein Vater in Olching einer Lehrerin im Klassenchat gedroht, ihr alle Knochen zu brechen, sollte sie noch mal verlangen, dass sein Kind eine Maske tragen muss.

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