Mitten in Haar:Strapazierter Ansatz

Die Gemeinde will ein Problem beim Schopf packen und ihr Profil schärfen

Glosse von Bernhard Lohr

Haar kann so viel sein. Im Modemagazin ist es ein Hingucker. In der Suppe ein Abturner. Es gibt volles Haar, graues und auch leider allzu oft auch schuppiges Haar. Kaum ein Wort der deutschen Sprache wird so strapaziert für Bilder. Der kleinliche Zeitgenosse meint alles haargenau so, wie er es sagt. Und wenn er auch den eigentlich unsichtbaren Haarriss erkennt, weist er den Vorwurf der Haarspalterei weit von sich. Das Wort für das, was die meisten wenigstens auf dem Kopf tragen, ist Segen und Fluch. Haar wird geliebt, vermisst und das Wort in der Sprache oft gebraucht und auch missbraucht. Und dann gibt es da auch noch die Gemeinde Haar.

Wer den Ortsnamen in eine Suchmaschine eingibt, landet allzu oft auf Modeseiten oder bei zweifelhaften Ratgebern, die vorgeben, deprimierten Männern zu einer fülligen Haarpracht zu verhelfen. Die Gemeinde ist nicht so geschlagen mit ihrem Namen wie das in Thüringen liegende Lederhose oder mehrere Österreichische Orte. Wer mag ermessen, wie oft sich der Bürgermeister im Dorf "Türkei" in Kärnten die Haare rauft, weil er vergeblich darum kämpft, seine schöne Heimat im Netz touristisch zu vermarkten. Wer googelt nach einem Hotel in "Edelschrott" in der Steiermark? Von Fucking in Oberösterreich nicht zu reden. Der dortige Gemeinderat hat kürzlich beschlossen, den Ort in Fugging umzubenennen.

An so etwas denkt im Rathaus in Haar natürlich keiner. Die Wortspiele mit Haar sind halt auch harmloser Natur. Dafür haben Bürgermeister Andreas Bukowski und die Seinen jetzt beschlossen, mit Hilfe des sprechenden Gemeindenamens ein Problem beim Schopf zu packen. Haar soll als Gemeinde bekannter werden, es soll sein Profil schärfen, damit Unternehmer sich in dem Ort im Osten von München mit ihren Firmen niederlassen. Dabei kamen sie im Rathaus auf den "Haar-Ansatz". So nennt die Gemeinde ihre Imagekampagne mit kleinen Filmen im Netz, in der Unternehmer aus Haar erzählen, was Haar besonders macht.

Bleibt zu hoffen, dass die Botschaft auch von denen gefunden wird, an die sie adressiert ist. Wer danach googelt, landet erst einmal in ganz anderen Gefilden. Mancher will halt doch nur seinen Haaransatz kaschieren oder färben.

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