Zinsstreit:Erfolg für Sparkassenkunden

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Prämiensparen ist gefragt, doch werden die Zinsen auch immer richtig berechnet? Das klären derzeit die Gerichte.

(Foto: Birgit Reitz-Hofmann/imago images)

Der Bundesgerichtshof stärkt Prämiensparern im Streit um zu wenig gezahlte Zinsen erneut den Rücken. Was das Urteil des BGH bedeutet - und wie Verbraucher an ihr Geld kommen.

Von Andreas Jalsovec

Im Streit um zu wenig gezahlte Zinsen bei Prämiensparverträgen hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Verbraucher erneut gestärkt. Die Richter erklärten Zinsklauseln in den Sparverträgen der Sparkassen Zwickau und Erzgebirge für ungültig. Die Geldhäuser müssen nun voraussichtlich die Zinsen nachberechnen. Die Kunden können damit zum Teil auf hohe Nachzahlungen hoffen. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Sachsen. An den beiden Musterfeststellungsklagen hatten sich knapp 3000 Sparer beteiligt. Dabei ging es um Nachforderungen von durchschnittlich mehr als 5000 Euro.

Innerhalb weniger Wochen haben die sächsischen Verbraucherschützer damit zwei weitere Urteile zugunsten der Verbraucher vor dem BGH erstritten. Bereits Anfang Oktober hatten die obersten Zivilrichter im Fall der Sparkasse Leipzig ähnlich entschieden.

Worum geht es bei dem Streit?

Prämiensparverträge wurden zwischen 1990 und 2010 von Sparkassen und Volksbanken millionenfach verkauft. Neben einer festen Prämie erhalten die Sparer dabei variable Zinsen auf ihr Erspartes. In der Niedrigzinsphase senkten die Institute den Zins jedoch eigenmächtig ab. Die Kunden bekamen daher womöglich zu wenig Erträge gutgeschrieben. Die Richter legten daher fest, dass die Sparkassen für die Berechnung einheitlich einen Zinssatz der Bundesbank für langfristige Anlagen heranziehen müssen.

Welcher das ist, muss nun die Vorinstanz klären - im Fall der sächsischen Sparkassen das Oberlandesgericht Dresden. Betroffene Sparer brauchen daher "weiterhin Geduld und starke Nerven", bis dieser Referenzzins feststeht, heißt es bei der Verbraucherzentrale. Erst dann ist auch klar, wie viel Geld genau die Institute nachzahlen müssen. Bis dahin werden wohl noch weitere Verfahren vor dem BGH landen. Bundesweit haben die Verbraucherzentralen fast ein Dutzend Sammelklagen zu Prämiensparverträgen angestrengt.

Warum gibt es so viele Verfahren?

Die Verbraucherschützer wollen damit unter anderem verhindern, dass die Ansprüche der Kunden verfallen. Der BGH legte in seinen Urteilen zwar fest: Die dreijährige Frist für die Verjährung beginnt erst zu laufen, wenn der Sparvertrag beendet ist. Das bedeutet, dass bei der Nachberechnung der Zinsen die gesamte Vertragslaufzeit mit einbezogen werden muss.

Bei manchen Instituten drängt jedoch die Zeit. Einige sächsische Sparkassen etwa kündigten 2018 etliche Verträge. "Wir planen daher weitere Musterfeststellungsklagen, um die Verjährung zu hemmen", sagt Michael Hummel, Rechtsexperte bei der Verbraucherzentrale Sachsen. Mit jedem weiteren Urteil vor dem BGH werde dabei die Rechtslage für die Verbraucher klarer, so Hummel: "Damit wird es für betroffene Sparer einfacher, ihre Ansprüche durchzusetzen."

Wer profitiert von den Urteilen?

Unmittelbar helfen die Urteile jenen Verbrauchern, die sich an den Musterfeststellungsklagen beteiligt haben. "Sie können sich auf das Urteil berufen, wenn sie von der Sparkasse Zinsen nachfordern oder deshalb vor Gericht ziehen", sagt Sebastian Reiling, der beim Verbraucherzentrale Bundesverband Musterfeststellungsklagen betreut. Denn auch nach einem positiven Urteil müssen Verbraucher ihre Ansprüche gegenüber dem Geldinstitut noch einmal geltend machen. Längst nicht alle Sparkassen lenken dabei ein. "Es gibt Institute, die trotz BGH-Urteil die Nachzahlungen ablehnen", sagt Jurist Hummel. So beruft sich die Sparkasse Leipzig darauf, dass die Frage des Referenzzinses noch ungeklärt sei. Das BGH-Urteil führe daher noch "nicht zu Zahlungsansprüchen im Einzelfall".

Dennoch wird die Luft für die Sparkassen dünner - und das nicht nur für die an den Verfahren beteiligten Institute. Denn die Kriterien, die die Richter für die Zinsberechnung festgelegt haben, lassen sich in vielen Punkten auf Verträge anderer Sparkassen übertragen. Damit steigen für deren Prämiensparer die Chancen, Nachzahlungen durchzusetzen - auch juristisch: "Andere Gerichte weichen von dem, was der BGH festlegt, in der Regel nicht ab", sagt Sebastian Reiling. Eine Garantie dafür, dass einzelne Geldinstitute im Zinsstreit einlenken, ist das aber nicht.

Zeigen die Urteile schon Wirkung?

Dafür sind sie noch zu frisch. "Wir konnten bisher keine Veränderung im Verhalten der Sparkassen feststellen", sagt Matthias Schmid, Jurist bei der Verbraucherzentrale Bayern. Allerdings hatten zuvor schon einige Oberlandesgerichte Urteile zugunsten der Verbraucher gefällt. Diese zeigen durchaus Wirkung. "Die Beträge, die die Sparkassen zu zahlen bereit sind, sind gestiegen", stellt Verbraucherjurist Hummel fest. Zu Beginn des Streits hätten die Institute oft nur zehn Prozent dessen angeboten, was die Kunden forderten. "Mittlerweile liegen wir eher bei 50 Prozent und mehr", so Hummel. Für gut 6000 Verträge haben die sächsischen Verbraucherschützer bislang die Zinsen nachgerechnet. Im Schnitt kamen dabei Nachzahlungen von 3500 Euro raus.

Die Zahlungsbereitschaft der Institute ist aber unterschiedlich. In Bayern etwa "verweigern die Sparkassen in der Regel jegliche Nachzahlung", sagt Matthias Schmid. Machen sie doch einmal ein Angebot, so sei dieses "nicht annähernd das, was den Sparern zusteht". Anders in Baden-Württemberg: Dort erhalten die Verbraucher "mittlerweile bei allen Instituten Nachzahlungen", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte der Verbraucherzentrale. Zahlungsunwillige Geldhäuser haben die Verbraucherschützer wegen unzulässiger Zinsklauseln abgemahnt - größtenteils erfolgreich. Die Nachforderungen liegen im Mittel bei knapp 2500 Euro. "Einen Nachschlag bekommt aber nur, wer ihn auch einfordert", sagt Niels Nauhauser. Von alleine zahle keine Sparkasse.

Wie gehen betroffene Sparer am besten vor?

Wer zu wenig gezahlte Zinsen einfordern will, kann seinen Vertrag bei den Verbraucherzentralen auf unzulässige Klauseln überprüfen lassen. Viele bieten außerdem eine Nachberechnung der Zinsen an. Mit dem Ergebnis sollte man bei seinem Geldinstitut die Zinsen einfordern. Die Berechnung helfe dabei, "einzuschätzen, wie viel man überhaupt einfordern kann und wie ein mögliches Angebot der Sparkasse einzuordnen ist", sagt Finanzexperte Nauhauser.

Liegt die Offerte nahe bei dem, was man gefordert habe, könne man sie annehmen, meint Verbraucherjurist Michael Hummel. Stellt sich die Sparkasse dagegen quer, bleibe in der Regel nur der Weg vor Gericht. "Mit dem BGH-Urteil sind die Chancen, dort erfolgreich zu sein, aber gestiegen", meint Hummel. Verbrauchern, bei deren Sparkasse ein Musterfeststellungsverfahren laufe, raten die Experten dazu, sich anzuschließen. "Das gilt etwa für die Verfahren gegen die Sparkasse Nürnberg und die Stadtsparkasse München", sagt Jurist Matthias Schmid. Bislang hätten das rund 4800 Sparer getan. Die Zahl der Betroffenen schätzt die Verbraucherzentrale allerdings auf etwa 50 000.

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