Musikkabarett:Ein Feuerwerk an Lebenslust

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Michi Marchner bestritt den Abend alleine, weil Christoph Theussl kurzfristig in Quarantäne musste. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Musiker und "Wortverrenker" Michi Marchner spielt und singt in Gilching so intensiv, als wäre es das letzte Mal. Die nur 16 Zuhörer nehmen dieses Geschenk dankend an

Von Patrizia Steipe, Gilching

Wenn etwas schief läuft, dann richtig. Für Michi Marchner, Kabarettist, Sänger, Komponist und selbsternannten "Wortverrenker" war der Abend im Gilchinger Gasthaus Widmann ein Wechselbad der Gefühle. Erst hatte er sich mit Veranstalterin Monika Rother ("Kulturmoni") gefreut, dass trotz der hohen Corona-Inzidenzen ein Auftritt möglich war. Den einen Teil des Programms hätte Marchner mit seinem Programm gestalten wollen und den anderen Christoph Theussl, der anlässlich des zehnten Todesjahres des österreichischen Liedermachers Ludwig-Hirsch-Lieder intonieren wollte. Doch dann dies: Theussl musste als Corona-Kontaktperson in Quarantäne. Einige Gäste sprangen ab, die Veranstaltung mit dann gerade einmal 16 Zuhörern wurde vom großen Saal in den Keller verlegt.

Im Nachhinein war dies sogar ein Glücksfall, denn auch das Verstärkerkabel von Marchners Gitarre gab seinen Geist auf - "wir machen unplugged", so die pragmatische Lösung und als Unterstützung holte er sich aus dem Publikum bei einigen Nummern seinen musikalischen Weggefährten seit 30 Jahren, Martin Lidl, auf die Bühne. Seit eineinhalb Jahren sei er nicht mehr aufgetreten, gestand Marchner und wunderte sich, dass der fehlende Applaus und das Publikum ihm erstaunlicherweise gar nicht gefehlt hätten. Würden solche Erfahrungen auch weitere coronagebeutelten Künstler gemacht haben, die dann vielleicht sogar ganz aufhörten, dann "Gute Nacht Kultur".

Doch bereits nach den ersten Takten kam bei Marchner sichtlich die Lust am Performen zurück. Er kombinierte sein grandioses Gitarrenspiel mit Blödeltexten, Slapsticks und aberwitzigen Wortspielen. Mal war er melancholisch, dann kam wieder sein schwarzer Humor durch, immer wieder ging es um Verliebtsein und Liebe, um Fragen nach dem Wieso und Warum, um verpasste Chancen ("Wenn ich was gscheids gelernt hätte...", "ich wollt schon immer nach Olpe"), aber stets mit einem Augenzwinkern. Dabei genoss er die Interaktion mit dem Publikum, das wahlweise zum Mitklatschen oder Mitsingen aufgefordert wurde. Viel war improvisiert, oft schweifte Marchner ab, um noch schnell einen Witz zu erzählen oder Gitarrenmoves zu erklären, "damit ihr seht, wie geil ich Gitarre spielen kann" - das war authentisch, sympathisch und wirklich witzig.

Im zweiten Teil gingen Marchner und Lidl so richtig ab. Sie zündeten ein Feuerwerk an Lebenslust und Spaß am Musizieren. Die beiden spielten so intensiv, als ob es das letzte Mal wäre, das Publikum spendete begeisterten Applaus, ebenfalls im Gefühl, dass dies eine der letzten Veranstaltung vor dem nächsten Lockdown sein könnte. "Am Ende wird alles gut", sang Marchner. Das Publikum wollte es gerne glauben.

Übrigens: Monika Rother glaubt fest daran, dass Kultur weiterlaufen wird. Das Programm für die nächsten Wochen steht jedenfalls. Am Donnerstag, 2. Dezember, sollen Mark'n'Simon Weihnachtsstimmung nach Gilching bringen. Am 9. Dezember tritt Jürgen Kirner mit Gitti Walbrun und den Münchner Saitentratzern auf. Und das Jahr beenden soll Kabarettist Holger Paetz am 16. Dezember mit dem sarkastischen Programm "So schön war's noch selten". Michi Marchner und Martin Lidl laden wieder am 3. Februar 2022 zu ihrer Comedy-Lounge in den Oberen Wirt ein.

© SZ vom 29.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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