Öffentlicher Nahverkehr:Mit der U-Bahn nach Kirchheim, mit der Seilbahn über die Isar

50 Jahre Münchner U-Bahn

Bisher endet die U-Bahn in der Münchner Messestadt - die Gemeinden Kirchheim und Feldkirchen streben eine Verlängerung in den Landkreis an.

(Foto: Florian Peljak)

Der Landkreis München lässt mehrere neue U-Bahn- und Seilbahnverbindungen prüfen. Auch wenn nur eine die bisherigen Rentabilitätskriterien erfüllt, steigen die Chancen auf eine Umsetzung.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis

Auf ihr ruhen die Hoffnungen vieler entnervter Pendler im südöstlichen Landkreis, die auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen sind: der U 5 und ihrer Verlängerung von Neuperlach-Süd aus über Neubiberg und Ottobrunn bis in den Ludwig-Bölkow-Campus, wo Europas größte Fakultät für Luft- und Raumfahrt entsteht. Die Planungen für das Mammutprojekt unter der Erde sind weit gediehen - und doch ist noch immer nicht sicher, ob die Verlängerung tatsächlich gebaut wird. Denn ein Aspekt steht dem Projekt derzeit noch diametral entgegen: der Nutzen-Kosten-Faktor, der sich aus der sogenannten standardisierten Bewertung ergibt. Nur wenn dieser Faktor größer als 1,0 ist, darf der Bund ein Projekt finanziell fördern.

Ohne Unterstützung des Bundes kann ein U-Bahn-Ausbau nicht gestemmt werden. Die Kosten der Verlängerung der U 5 werden auf etwa eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Zwar rechnet die verkehrliche Prognose mit mehr als 20 000 Fahrgästen täglich, in Relation zu den Kosten gesetzt, liegt der Nutzen-Kosten-Faktor dennoch nur bei etwas mehr als 0,5 und damit deutlich unter dem notwendigen Wert.

Dass der Landkreis dieses Projekt dennoch mit Vehemenz vorantreibt, hat einen Grund: Die standardisierte Bewertung soll durch den Bundestag geändert werden - und der Kostenfaktor an Gewicht verlieren. Auch deshalb hat der Mobilitätsausschuss des Kreistags jetzt entschieden, weitere, teils ungewöhnliche Projekte genauer prüfen zu lassen, die langfristig die Mobilitätswende vorantreiben könnten. Ein Überblick.

Die U-Bahn über die Autobahn

Eine Untersuchung für eine unterirdische Verlängerung der U 2 von Riem bis in die Ortsmitten von Feldkirchen und Kirchheim wurde bereits erstellt. Fazit: hoher Nutzen - zu hohe Kosten. Auf Antrag des Kirchheimer Bürgermeisters Maximilian Böltl (CSU) hat nun das Planungsbüro Intraplan eine Einschätzung zu einer oberirdischen Verlängerung in den nordöstlichen Landkreis abgegeben. Grundsätzlich, so die Planer, sei eine oberirdische Trassenführung kostengünstiger, wie sich schon der U-Bahnbau nach Garching gezeigt hat. Allerdings stehen dem Projekt gleich drei Hürden entgegen: die Bundesstraße 471 sowie die beiden Autobahnen A 94 und A 99, deren Querung erhebliche Kosten verursachen würde, was den Nutzen-Kosten-Faktor wieder drücken würde.

Zudem müssten bei einer oberirdischen Variante die Haltestellen anders gelegt werden, und zwar an die Ortsränder. Diese "peripheren Lagen" hätten "geringere verkehrliche Wirkungen", so das Büro Intraplan. Soll heißen: Es würden weniger Menschen die U-Bahn nutzen und die Haltestellen müssten dann zusätzlich mit Bussen angebunden werden, die wieder zusätzliche Kosten verursachen. Dennoch will der Landkreis das Projekt eingehender untersuchen lassen.

Die Seilbahn durch das Würmtal

Es ist eine kühne Vision: Man steigt am Bahnhof Pasing in die Gondel ein, wird binnen Sekunden auf etwa 40 Meter Höhe gezogen und schwebt relativ lautlos durch das Würmtal. Nahezu auf acht Kilometer Länge könnte die Einseilumlaufbahn den Westen des Landkreises durchziehen, mit Ausstiegsmöglichkeiten etwa in Gräfelfing, am Campus Martinsried, in der Neurieder Ortsmitte und am Endhaltepunkt am U-Bahnhof Fürstenried-West. Zehn Personen könnten in eine Gondel passen. Landrat Christoph Göbel (CSU) sprach im Ausschuss von einem "hohen Potenzial vor allem im werktätigen Berufsverkehr". Denn genau solche radialen Verbindungen würden im Landkreis gebraucht, da der tangentiale Personennahverkehr durch die S-Bahn gut ausgebaut sei.

Das Büro Intraplan schätzt die Kosten für den Bau einer Seilbahn auf etwa 55,9 Millionen Euro; damit käme sie deutlich günstiger als eine Tram mit demselben Streckenverlauf, die von den Verkehrsplanern ebenfalls untersucht wurde. Eine Straßenbahn würde etwa 110 Millionen Euro kosten und wäre auch im Unterhalt deutlich teurer als eine Seilbahn. Allerdings ist der Nutzen-Kosten-Faktor der Seilbahn mit 0,25 gering, wenn auch höher als der einer Straßenbahn (0,12).

Bleibt nur die Frage nach der Akzeptanz, die CSU-Kreisrat Helmut Horst stellte. Ob denn die Seilbahn in 40 Meter Höhe direkt über Privatgrundstücke schweben würde? Klare Antwort von Verkehrsplaner Bernd Kolberg: "Ja." Eine Antwort, die Landrat Göbel ein wenig einzufangen versuchte, indem er sagte, es liege ja noch überhaupt keine Planung vor. "Jetzt geht es nur um Verkehrsbeziehungen. In einem zweiten Schritt schauen wir, ob eine Verbindung möglich ist." Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Seilbahnstütze in ein Gräfelfinger Grundstück gesetzt wird, gehe "gegen null", so der Landrat.

Von der Tram in die Seilbahn

Öffentlicher Nahverkehr: Es ist eine Vision: Mit der Tram am Derbolfinger Platz in Grünwald ankommen und anschließend mit der Seilbahn über die Isar in wenigen Minuten nach Pullach schweben.

Es ist eine Vision: Mit der Tram am Derbolfinger Platz in Grünwald ankommen und anschließend mit der Seilbahn über die Isar in wenigen Minuten nach Pullach schweben.

(Foto: Claus Schunk)

Schon die Debatte um eine mögliche Fußgänger- und Radbrücke über die Isar erhitzt in Pullach und Grünwald die Gemüter. Nun lässt der Landkreis eine mögliche Seilbahn als radiale Verbindung zwischen dem S-Bahnhof Höllriegelskreuth in Pullach und der Trambahn-Haltestelle am Derbolfinger Platz mitten in Grünwald untersuchen. Diese käme auf eine Länge von nur einem Kilometer, die Kosten schätzt Intraplan auf etwas mehr als 7,1 Millionen Euro. Mehr als 2000 Menschen könnten die Seilbahn am Tag nutzen, sie würden damit zu einem hohen Nutzen-Kosten-Faktor von 1,3 beitragen.

Die U-Bahn in den Westen

Die Verlängerung der U 6 nach Martinsried kommt. Nun lässt der Landkreis eine weitere Anbindung prüfen: den Ausbau der U 3 von Fürstenried-West nach Neuried. Dieser Abschnitt wäre nur 1,4 Kilometer lang, würde aber Kosten von nahezu 180 Millionen Euro verursachen, was einen geringen Nutzen-Kosten-Faktor von nur 0,39 zur Folge hat.

Fazit

Weil der Nutzen-Kosten-Faktor mit Ausnahme der Seilbahn über die Isar überall unter eins liegt, spricht Planer Kolberg von teils "ernüchternden Ergebnissen", betont aber die doch "hohen Nutzenvolumina" und auch "hohen Fahrgastzahlen". Darauf setzt der Landkreis auch seine Hoffnungen, wenn sich die Kriterien bei der standardisierten Bewertung bald ändern sollten.

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