Rassismus:Ein Fußballspiel spaltet Garching

Sportanlage Stadion am See in Garching, 2012

Seit dem Derby zwischen der VfR-Reserve und dem städtischen Rivalen Türk Sport ist die Stimmung im Stadion am See auf einem Tiefpunkt.

(Foto: Stephan Rumpf)

Nach dem Abbruch des Garchinger Derbys zwischen Türk Sport und VfR wegen einer angeblichen rassistischen Äußerung droht eine juristische Auseinandersetzung. Bürgermeister Gruchmann befürchtet, dass der Konflikt das Zusammenleben in der Stadt über den Sport hinaus belastet.

Von Stefan Galler und Irmengard Gnau, Garching

Es könnte alles so schön sein, schließlich blicken Garchings Fußballklubs in eine rosige Zukunft: Das Stadion am See wird in den kommenden Jahren für knapp 4,5 Millionen Euro saniert, unter anderem erhält der Spielort ein neues Tribünendach, ein neues Flutlicht und endlich Klubräume für Türk Sport, den kleineren Verein neben dem alteingesessenen VfR Garching. Doch nun sind trübe Wolken über dem Sportkomplex an der A 9 aufgezogen: Ein schwerwiegender Konflikt zwischen den beiden Klubs belastet die Stimmung.

Grund für die schwelende Auseinandersetzung, die mittlerweile auch eine juristische Dimension hat, sind die Vorfälle beim Kreisklassenderby zwischen Türk Sport und der zweiten Mannschaft des VfR am 21. November. Gegen Ende des Spiels soll es zu einer rassistischen Beleidigung durch einen VfR-Spieler in Richtung der Türk-Sport-Bank gekommen sein. Der Schiedsrichter brach die Partie, die bereits in der Nachspielzeit war, daraufhin ab.

Podiumsdiskussion der Bürgermeisterkandidaten Garching, Bürgerhaus

Garchings Bürgermeister Dieter Gruchmann will zwischen den Vereinen vermitteln.

(Foto: Florian Peljak)

Der Vorfall hat inzwischen Kreise weit über den Fußballplatz hinaus gezogen und auch die Stadtpolitik erreicht. Bei der jüngsten Bürgerfragestunde im Stadtrat äußerte sich ein Garchinger besorgt über die Auswirkungen. Einige Jugendliche des VfR hätten Bedenken, zeitgleich mit dem Nachbarverein auf der Anlage zu trainieren. Ein Vereinsmitglied sei wegen seiner VfR-Jacke sogar angegangen worden. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) zeigte sich ebenfalls besorgt. Er habe bereits versucht, in Gesprächen mit den beiden Vereinsvorsitzenden zu vermitteln und ein Treffen zu organisieren, allerdings ohne Erfolg. "Das ist sehr, sehr schade, weil anzunehmen ist, dass das das innerstädtische Leben über den Sport hinaus belasten wird", sagte Gruchmann. Die Stadt werde sich in dem Konflikt neutral halten und wolle für beide Vereine sicherstellen, dass das Training auf der Sportanlage weiterhin möglich ist. Stadträtin Daniela Rieth (Grüne), ausgebildete Mediatorin, bot ihre Unterstützung an, um den Konflikt aufzuarbeiten.

Das ist auch das Ziel von Claudio Cumani, dem Vorsitzenden des Integrationsbeirats der Stadt, der seit den Vorfällen vor zwei Wochen "sehr intensiv" mit der Angelegenheit befasst ist. Diese sei "delikat und sensibel", sagt Cumani. Er stehe auch im Austausch mit der Stadtverwaltung und dem Bürgermeister sowie Vertretern des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV). "Mir ist der Blick in die Zukunft wichtig, wir müssen den jungen Fußballern ein gutes Beispiel geben. Wenn wir diesen Konflikt nicht lösen, dann haben wir alle verloren", so Cumani. Aussagen, die der Münchner BFV-Kreisvorsitzende Frank Ludewig vorbehaltlos unterstützt: "Wir müssen dafür sorgen, dass die beiden Vereine wieder miteinander Fußball spielen können."

Doch der Stachel sitzt offenbar beiderseits tief, nachdem sich die Dinge seit dem Spiel immer weiter hochgeschaukelt haben.

Die Begegnung damals an jenem 21. November war aus mehrerlei Hinsicht brisant: Einerseits durch den Derbycharakter, andererseits weil die VfR-Reserve dem bislang ungeschlagenen Konkurrenten mit einem Sieg die Tabellenführung hätte abjagen können. Am Ende eines umkämpften Spiels gelang dem VfR tatsächlich das vermeintliche Siegtor, laut Aussagen der Türk-Sport-Offiziellen sei es direkt anschließend zu der Beleidigung durch den Torwart gekommen. "Man konnte das nicht überhören", sagt Gzim Shala, der Trainer von Türk Sport. Ihm sei sofort klar gewesen, dass nun eine Eskalation drohe, sagt Shala, der selbst seit 2004 als ehrenamtlicher Integrationsbeauftragter des BFV in ganz Oberbayern im Einsatz ist, wenn Streitigkeiten aus dem Ruder laufen.

Ein Handyvideo bestätigt die Aussagen

Seine Version der Geschichte klingt so: Das Spiel sei bis zu dem umstrittenen Vorfall friedlich verlaufen. Nach dem Eklat habe er beim Trainerstab des Gegners darauf hingewirkt, den Torwart auszuwechseln, "um ihn zu schützen, es geht nämlich nicht darum, diesen Jungen an den Pranger zu stellen", so Shala. Der Schiedsrichter habe jedoch entschieden, die Partie komplett abzubrechen. Es sei sogar noch zu konstruktiven Gesprächen zwischen den Kontrahenten und zu kameradschaftlichen Umarmungen gekommen. Ein Handyvideo, das der SZ vorliegt, stützt diese Aussage. "Mir gegenüber haben VfR-Verantwortliche noch am Spielfeldrand eingeräumt, dass rassistische Äußerungen gefallen sind", so Shala.

Nichtsdestotrotz veröffentlichte der VfR nach dem Spiel eine Stellungnahme, in der er "jegliche Anschuldigungen des Rassismus" zurückwies und ankündigte, "sich rechtliche Schritte gegenüber dem Verein, den Verantwortlichen sowie einzelner Spieler aufgrund rassistischer Beleidigungen gegenüber unserer Mannschaft" vorzubehalten. Auf SZ-Nachfrage wollte sich der VfR-Vorsitzende Uwe Cygan mit Hinweis auf ein "laufendes Verfahren" nicht weiter zu der Angelegenheit äußern. Die Sache sei mittlerweile einem Anwalt übergeben worden.

Türk-Sport-Trainer Shala kann diese Entwicklung nicht nachvollziehen. "Die Stellungnahme war für mich ein Schlag ins Gesicht." Erst diese Zeilen und eine ausbleibende Entschuldigung hätten bei seinem Klub und bei Abteilungsleiter Hasan Celik dazu geführt, Anzeige gegen den Spieler zu erstatten. In einer offiziellen Mitteilung erklärt der Verein, "dass wir in keinster Weise daran interessiert sind, über ein Sportgerichtsverfahren das Spiel, welches nun im Hintergrund steht, für uns zu entscheiden und somit drei Punkte einzufahren". Es gehe vielmehr um einen toleranten und respektvollen Umgang miteinander. "Rassismus ist keine Basis für eine bunte und friedliche Zukunft in der Stadt Garching, wo wir alle zusammen leben", so der Wortlaut der Erklärung.

Nach Meinung von Türk-Sport-Trainer Shala ist der Schaden noch nicht irreparabel: "Wir können uns zusammensetzen und die Sache aus der Welt schaffen." Voraussetzung sei, dass sich der VfR und der Spieler von Rassismus distanzieren. "Es geht doch nicht ums Gewinnen oder Verlieren, sondern um unseren Fußball."

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