Klassikkolumne:Großbogig aus Großbritannien

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Immer nur Elgar? Wenn Gabriel Schwabe die britischen Meister des 20. Jahrhunderts intoniert, lohnt sich das Hinhören. Wie auch bei Dominik Wagner und beim Mandelring Quartett.

Von Harald Eggebrecht

Jenseits von Edward Elgar hat es englische Musik nicht leicht, in Deutschland in ihrer Vielfalt, Bedeutung und Qualität wahrgenommen zu werden. Dabei hat sich die Situation in den letzten rund dreißig Jahren unleugbar verbessert, siehe die Rezeption von Benjamin Brittens Opern bis zu seiner Kammermusik, von Harrison Birtwistle, Preisträger der Ernst von Siemens Stiftung, mit seiner anziehend rauen Musik ebenso vom noch wilderen Mark Anthony Turnadge. Doch der Spätromantiker Frederic Delius ist hier so selten zu hören wie Meister aus dem 20. Jahrhundert, etwa Arnold Bax, William Walton, Ralph Vaughn Williams oder Frank Bridge. Dabei ist dessen Stück "Oration" für Cello und Orchester in jeder Hinsicht beeindruckende und bewegende Musik ersten Ranges. Vorausgesetzt man spielt sie so gespannt und aufregend wie der großartige junge deutsche Cellomeister Gabriel Schwabe. Bridge (1879-1941) schrieb das gegen Krieg und Zerstörung gerichtetes "Concerto elegiaco" 1929/30, das nach der erfolgreichen Uraufführung seltsamerweise für rund vierzig Jahre wieder in der Versenkung verschwand. Erst im Zuge der Sechzigerjahre wurden Wucht und Wichtigkeit dieses grandiosen Werkes erkannt. Einmal fesselt die Solostimme mit großbogigen rezitativischen, emphatisch flehenden Gesten, dann wieder mit intensivem Klagegesang und heftigen Höhepunkten. Zum anderen sind die zarten Passagen von wundersam ätherischer Wirkung. All das entfaltet sich vor einer kargen, doch raffiniert klangsinnlich instrumentierten Orchesterlandschaft. Schwabe und dem Wiener ORF Radio Symphonie-Orchester unter Christopher Ward gelingt das so überzeugend wie eindringlich. Dass Schwabe auch Elgars berühmtes Cellokonzert souverän, kraftvoll, mit klarster Artikulation und Expressivität gestaltet, und jeden Anflug verfehlter, aber leider häufig praktizierter Sentimentalität meidet, erfreut so sehr wie sein Feuer bei Bridge. (Naxos)

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Auch französische Musik hat es im hiesigen Konzertleben nicht leicht, sie wird meist mit Claude Debussy und Maurice Ravel identifiziert. Es ist dem Mandelring Quartett zu danken, auf den feinen Zauber und die leuchtende Brillanz eines nahezu Unbekannten wie Jean Rivier (1896-1987) aufmerksam zu machen. Dabei war Rivier angesehener Kompositionslehrer und hat mehr als 200 Werke hinterlassen. Die beiden Streichquartette, das erste 1924 entstanden und hier erstmals eingespielt, das zweite 1940 komponiert, bestechen durch Beredsamkeit, Kontrastreichtum, rhythmischer Finesse. Beim frühen Stück sind Assonanzen zu Debussy und Ravel unüberhörbar, aber nicht epigonal, sondern weiterführend in eine abwechslungsreiche Instrumentalunterhaltung. Das zweite Stück zeigt Bártok-Erfahrungen, ist deutlich herber, impulsiver, attackierender als das erste. Dazu passt Riviers Satz: "Ich liebe Süßigkeiten, aber ich verabscheue alles, was in einem Musikstück in irgendeiner Form an solche erinnert." Daran halten sich die "Manderinge" vorbildlich, auch in Debussys einzigem, von Luft, Wind und Sonne erfülltem Quartett, das sie konturiert deutlich spielen. (audite)

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Er war ein Superstar im 19. Jahrhundert, weltweit gefeiert als "Paganini des Kontrabasses": Giovanni Bottesini (1821-1889), Freund von Giuseppe Verdi und Dirigent der Uraufführung von "Aida" in Kairo. Seine Werke sind dem Belcanto im besten Sinne verpflichtet. Der 1997 in Wien geborene Dominik Wagner nimmt Bottesinis Klangschönheit, Gesanglichkeit und melodische Attraktivität so leidenschaftlich ernst und meistert die geforderte Artistik so atemverschlagend leichtfüßig, dass man den Kontrabass für das sanftest klingende und virtuoseste Streichinstrument halten möchte. Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn unter Emanuel Tjeknavorian genießt Wagners Spiellust ebenso wie in den zwei Gran Duos je der Geiger Benjamin Schmid und der Cellist Jeremias Fliedl. In dieser dunklen Zeit ein musikalischer Aufheller der heitersten und geistreichsten Art!. (Berlin Classics)

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Alfred Schnittke hat mehr als sechzig Filmmusiken geschrieben. Denen hat sich Frank Strobel, ermuntert von Schnittke, seit 25 jahren gewidmet und sie in Form von Konzertsuiten arrangiert. Das fünfte Album präsentiert nun die Musiken zu den Filmen "Tagesträume" von 1966, "Der Liebling des Publikums" von 1985 und "Vater Sergius" von 1978. Ironie und manchmal heitere Melancholie, die ins Abgründige umschlagen kann scheint in den Drehorgeleffekten, schrägen Tänzen und verqueren Märschen auf, von denen Schnittke sagte, "dass alle Antiquitäten in meinen Stücken von mir nicht gestohlen, sondern gefälscht wurden." Strobel setzt Schnittkes Maskenspiele mit dem RSO Berlin und dem Rundfunkchor Berlin so intensiv und anschaulich um, dass man gerne auch die Filme dazu sähe. (Capriccio).

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