Verfolgung in Myanmar:Warum die Rohingya Facebook verklagen

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Die UN bezeichnen die Verfolgung der Rohingya als ethnische Säuberungen mit "völkermörderischer Absicht". Welche Rolle spielte Facebook dabei? (Foto: Dar Yasin/AP)

Die muslimische Minderheit der Rohingya wurde in Myanmar verfolgt und vertrieben. Nun wirft sie Facebook vor, zu wenig gegen die Hetze unternommen zu haben.

Von Andrian Kreye, München

Anwälte in Großbritannien und den USA haben am Montag im Namen von Vertriebenen der Rohingya aus Myanmar Sammelklagen gegen Facebook und dessen Mutterkonzern Meta eingereicht. Insgesamt belaufen sich die Schadensersatzforderungen in diesen Klagen auf rund 150 Milliarden Dollar (rund 133 Milliarden Euro). Die Anwälte beziehen sich dabei auf die Rolle, die Posts auf Facebook bei der Verfolgung der muslimischen Minderheit durch die Militärregierung in dem südostasiatischen Staat hatten, der von der buddhistischen Mehrheit dominiert wird.

Die Rohingya sind die größte staatenlose Minderheit weltweit. Die Verfolgung der Rohingya in Myanmar begann im Jahr 2017. Es gab Massaker, Massenvergewaltigungen und die Brandschatzung ganzer Dörfer. Zwischen 600 000 und einer Million Menschen wurden vertrieben, die meisten flohen ins benachbarte Bangladesch, andere nach Thailand. Die Vereinten Nationen bezeichnen die Aktionen als ethnische Säuberungen mit "völkermörderischer Absicht". Der internationale Strafgerichtshof in Den Haag untersucht, ob es sich dabei um einen Fall von Völkermord handelt. In einem Urteil aus dem vergangenen Jahr forderte er die Regierung von Myanmar auf, die Minderheit vor Völkermord zu schützen.

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Facebook wurde von den Ermittlern der UN schon 2018 beschuldigt, zu langsam und uneffektiv gegen die Hetze vorzugehen, die schon Jahre vor den Massakern begonnen hatte. In der US-amerikanischen Klageschrift werden nun als Klagegründe Produkthaftung und Fahrlässigkeit aufseiten des Plattformbetreibers genannt. Die englische Klageschrift zitiert aus einer Untersuchung der Nachrichtenagentur Reuters aus dem Jahr 2013. Die fand folgenden Post: "Wir müssen sie so bekämpfen, wie Hitler die Juden bekämpft hat". Ein anderer Eintrag auf Facebook lautete: "Übergießt sie mit Benzin und legt Feuer, damit sie Allah schneller treffen können."

Praktisch jeder Internet-Nutzer in Myanmar hat Facebook, so verbreitete sich der Hass rasend

Erschwerend hinzu kommt die marktbeherrschende Rolle, die Facebook in Ländern wie Myanmar der Praxis des so genannten "Zero Rating" verdankt. Von 2010 an betrieb Facebook in Myanmar die App "Free Basics", mit man das Internet mit minimalen Datenkosten nutzen konnte. Die Klageschrift zitiert aus einer Untersuchung der gemeinnützigen Organisation Business for Social Responsibility. In der heißt es: "Auf den meisten Mobiltelefonen, die im Land verkauft werden, ist Facebook vorinstalliert. In Myanmar gibt es gleich viele Internet- und Facebook-Nutzer. Infolgedessen nutzen viele Menschen Facebook als ihre Hauptinformationsquelle."

Die US-Klageschrift zitiert auch die Whistleblowerin Frances Haugen, die vor der US-Börsenaufsicht zu Protokoll gab: "Die Facebook-Führungskräfte waren sich darüber im Klaren, dass Posts der Regierung von Myanmar gegen die muslimische Minderheit der Rohingya sich auf Facebook stark verbreiteten." 2018 veröffentlichten Facebook-Chef Mark Zuckerberg und seine Co-Chefin Sheryl Sandberg eine Erklärung, in der sie zugaben, dass sie zu wenig gegen die Hetze getan hätten.

Sowohl intern als auch in der Berichterstattung über Facebook gilt die Verfolgung der Rohingya als Musterfall für die Probleme, die der Konzern in nicht-englischsprachigen Krisengebieten hat. Als die Massaker begannen, hatte Facebook einen einzigen Moderator, der die Landessprache Birmanisch sprach und das Geschehen von Dublin aus beobachtete. Inzwischen liegt sehr viel mehr Aufmerksamkeit auf dem Land. Aus den Daten der "Facebook Files", in die die Süddeutsche Zeitung Einblick hat, geht hervor, dass Myanmar für das Jahr als Land der ersten Kategorie der Krisengebiete eingestuft wurde. Auf Anfrage sagte eine Sprecherin des Unternehmens: "Wir sind entsetzt über die Verbrechen, die gegen das Volk der Rohingya in Myanmar begangen werden. Wir haben ein engagiertes Team von Birmasprechern aufgebaut, die Tatmadaw verboten (d ie burmesischen Streitkräfte, Anm. d. Red.), Netzwerke, die die öffentliche Debatte manipulieren, gestört und Maßnahmen gegen schädliche Fehlinformationen ergriffen, um die Menschen zu schützen."

Im Mutterland des Konzerns USA halten viele die Aussichten einer solchen Klage für wenig aussichtsreich. Dort verhindert die umstrittene Section 230 des Telekommunikationsgesetzes von 1996, dass Digitalkonzerne für Inhalte Verantwortung übernehmen müssen, die auf ihren Plattformen erstellt oder geteilt werden. Die Regierung von Bill Clinton hatte das Gesetz erlassen, um die damals noch junge Industrie vor genau solchen Klagen zu schützen. Seit diese Firmen zu den wertvollsten und profitabelsten Konzernen in der Geschichte der Menschheit gehören, gilt die Schutzklausel allerdings als überholt.

David Mindell, einer der beiden Anwälte, die die Klage einreichten, sagte der Süddeutschen Zeitung, dass es gerade wegen dieses Gesetzes wichtig sei, diese Klage einzureichen. "Section 230 war nie dafür gedacht, dass Tech-Firmen Verbrechen unterstützen können." Auch gebe es in Burma kein vergleichbares Gesetz. In solchen internationalen Fällen würden US-Gerichte die lokale Rechtsprechung oft mit einbeziehen. "Wir glauben jedenfalls nicht, dass dieses Gesetz ein großes Hindernis sein wird."

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