USA-Russland:Die vier wichtigsten Erkenntnisse vom Biden/Putin-Videogipfel

Video-Gipfel von US-Präsident Biden und Russlands Staatschef Puti

Die Washingtoner Perspektive: US-Präsident Joe Biden (rechts) im Videogespräch mit Kremlchef Wladimir Putin.

(Foto: Adam Schultz; White House/dpa)

Der US-Präsident erhöht den Einsatz: Er droht Putin mit Wirtschaftssanktionen und zusätzlichen Truppen in Europa. Der Kremlchef gibt sich unbeeindruckt.

Von Fabian Fellmann, Washington

Die Spannung war groß vor dem virtuellen Gipfeltreffen von US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin. Zwei Stunden lang diskutierten die beiden bei ihrem vierten Gespräch als Staatschefs. Es sei eine sehr direkte Diskussion gewesen, hieß es danach. Das letzte Gespräch hatte im Sommer in Genf als echtes Gipfeltreffen stattgefunden - ebenfalls nach einem russischen Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse:

Der Höhepunkt der Spannungen folgt erst

Es sei ein gutes Zeichen, dass die Präsidenten überhaupt miteinander redeten: Diese Bemerkung von Wladimir Putins Sprecher vor dem Gipfel zeigt, als wie schwierig das Verhältnis von beiden Seiten eingeschätzt wird. Die Diskussion zwischen den zwei Supermächten verläuft schwierig; rasche Fortschritte sind auch am Dienstag ausgeblieben, obwohl die Diskussion mehr als zwei Stunden dauerte. Biden habe Putin nahegelegt, auf Diplomatie statt Eskalation zu setzen, wie sein Sicherheitsberater Jake Sullivan nach dem Videogipfel sagte.

Putin verlangte, dass die Nato schriftlich festhält, dass sie die Ukraine nicht aufnehmen wird. Das lehnte Biden strikt ab. Immerhin: Biden und Putin haben ihre Stäbe angewiesen, Möglichkeiten einer diplomatischen Lösung auszuloten. Allerdings dürften die Spannungen damit noch nicht auf ihrem Höhepunkt angelangt sein: In der Vergangenheit hat Russland Konflikte angeheizt, um die eigene Verhandlungsposition zu festigen - oder Gespräche lediglich als Feigenblatt benutzt.

Ein Wirtschaftskrieg als Drohkulisse

Joe Bidens Nachricht an Wladimir Putin bei dem virtuellen Gipfel war klar: Wohl würden die USA die Ukraine im Ernstfall nicht mit eigenen Soldaten verteidigen. Aber sollte Russland in die Ukraine einfallen, hätte es dafür einen hohen Preis zu zahlen. Biden stellte in Aussicht, die Nato-Länder würden "mit starken wirtschaftlichen und anderen Maßnahmen" reagieren.

Als Drohkulisse ließ die US-Regierung im Vorfeld des Videogipfels Pläne für weitreichende wirtschaftliche Sanktionen kursieren. Diese würden Personen aus dem engsten Umfeld Putins treffen, etwa mit Reiseverboten und dem Einfrieren von Bankkonten. Ähnliche Schritte haben die USA und die EU bereits mehrfach gegen russische Personen und Firmen unternommen, nachdem Russland die Krim annektiert hatte. Das Verhalten des Kremls konnten diese Sanktionen allerdings bislang nicht beeinflussen.

Schwerer würde die Extremvariante wiegen, welche die USA ventilierten: Die westlichen Länder könnten Russland aus dem internationalen Zahlungssystem Swift ausschließen und russische Banken mit zusätzlichen Einschränkungen belegen. Das würde auch den Zugang Russlands zu internationalen Devisen empfindlich einschränken.

Nord Stream 2 wird erneut zum Druckmittel

Die USA haben Russland damit gedroht, die Gas-Pipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland doch noch zu blockieren. Eben erst hatte Joe Biden zähneknirschend sein Einverständnis zu der Leitung gegeben, die Russland in Zukunft als Druckmittel gegen die Länder im Herzen Europa missbrauchen könnte, wie er befürchtet. Um die Beziehungen mit Deutschland nicht zu belasten, gab er seinen Widerstand jedoch auf.

Nun, da sich die Pipeline im Bewilligungsprozess auf europäischer Ebene befindet, überlegen sich die USA doch noch, das Milliardenprojekt im allerletzten Moment abzuklemmen. Im Kongress sagten hochrangige Beamte am Dienstag, die USA hätten eine Abmachung mit Deutschland getroffen: Falls Russland in die Ukraine einmarschiere, werde man Nord Stream 2 den Stecker ziehen. Sicherheitsberater Sullivan bestätigte das verklausuliert, indem er sagte, Nord Stream 2 sei eine Top-Priorität für die USA - und sämtliche Schritte würden mit Europa abgestimmt. Die Biden-Regierung habe darüber explizit sowohl mit der abtretenden Merkel- als auch der kommenden Scholz-Regierung gesprochen.

Bild der Einheit mit den Europäern

2,5 Milliarden Dollar haben die USA seit 2014 für die ukrainische Verteidigung ausgegeben. Nun hat Biden Putin angekündigt, der Ukraine zusätzliche Waffen zu liefern, sollte Russland eine militärische Eskalation suchen, wie Sicherheitsberater Sullivan sagte. Falls Russland in die Ukraine einmarschieren sollte, würden die USA auch die osteuropäischen Länder aufrüsten und zusätzliche Truppen entsenden, so Sullivan. Schon bisher nehmen regelmäßig US-Verbände an Übungen in Polen und im Baltikum teil; die Truppen rotieren, damit sie nicht als dauerhaft stationiert gelten. Sollten Russlands Nachbarn zusätzliche US-Präsenz wünschen, um sich sicher zu fühlen, werde Biden dem entsprechen, sagte Sullivan. Biden bemühte sich, ein Bild der Einheit mit den Europäern abzugeben und sie demonstrativ einzubeziehen: Vor und nach dem Gespräch mit Putin tauschte er sich mit europäischen Vertretern aus.

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