Pressestimmen zur Kanzlerwahl:"Sein Tonfall ist monoton, seine Körpersprache sehr schlecht"

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Von sehr sachlichen Berichten bis hin zu kernigen Kommentaren: Nach 16 Jahren Merkel-Regierung blickt die internationale Presse interessiert auf Scholz' Vereidigung. Collage: Stefanie Schwetz/SZ (Foto: Screenshot/Collage)

Von Frankreich bis in die USA: So kommentiert die internationale Presse die Wahl von Olaf Scholz zum Bundeskanzler.

Von Lennart Brauwers, Niklas Elsenbruch, Leo Kilz und Sophie Schroeder

Tag eins der neuen Regierung: Deutschlands erste Ampel-Koalition steht. SPD, Grüne und FDP haben den Sozialdemokraten Olaf Scholz zum neuen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Zahlreiche Medienhäuser, vor allem natürlich in Europa, berichten ausführlich und teils mit Livetickern über das Ende der Ära Merkel und die Vereidigung ihres Nachfolgers. International stellt sich die Frage: Wer ist dieser Olaf Scholz und was hat er vor? Die Reaktionen und Bewertungen fallen sehr unterschiedlich aus.

Frankreich:

Die französische Zeitung Le Monde sieht Olaf Scholz als "beruhigenden deutschen Kanzler". Das als linksliberal geltende Blatt lobt die paritätische Besetzung des Kabinetts: "Als überzeugter Feminist wird Olaf Scholz die Führung einer Regierung übernehmen, die sich zum ersten Mal aus gleich vielen Männern und Frauen zusammensetzt." Le Parisien zitiert den französischen Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire mit den Worten, Scholz sei ein "sehr stabiler Mann, der seine Akten im Detail kennt". Die Finanzzeitung Les Echos sieht voraus: "Sowohl die Gesundheitssituation in Deutschland als auch die internationalen Spannungen werden Olaf Scholz keinen Gnadenstatus lassen."

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Norwegen:

Skandinavien führt regelmäßig beim Klimaschutz die internationalen Rankings an. Norwegens führende Zeitung Aftenposten aus Oslo nimmt vor allem die Klimaziele der neuen Scholz-Regierung in den Blick. Sie attestiert der Ampel-Koalition nicht nur beim Kohleausstieg ein "ehrgeiziges Programm der Erneuerung". Die neue Regierung verfolge "ambitionierte Ziele bei der Produktion erneuerbarer Energie".

Schweiz:

Die Neue Zürcher Zeitung , die in den vergangenen Jahren vermehrt auch versuchte, konservative Lesergruppen in Deutschland anzusprechen, hat die Wahl Scholz' intensiv in ihrer Berichterstattung begleitet. Nun prognostiziert sie: "Scholz wird bei allen künftigen Turbulenzen tun, was er seit vielen Jahren mit Erfolg tut: darauf verweisen, dass man mit ihm bekomme, was man bestellt habe, Leadership, Führung, Durchsetzungsvermögen. Wer es trotz zahlreichen Niederlagen bis ganz nach oben schafft, dem wird der Sturm zum Rückenwind, auch wenn er ins Gesicht bläst."

Spanien:

Die auflagenstärkste Zeitung des Landes, El País , analysiert: "Der entscheidende Anstoß für die öffentliche Anerkennung kam mit der Pandemie." Scholz habe zu reagieren gewusst, er "holte rechtzeitig das Scheckbuch - die Bazooka, wie er es nannte - heraus". So habe er Millionen von Unternehmen und Freiberuflern, die von der Krise betroffen waren, geholfen. El Mundo hingegen spart nicht mit Kritik am neuen deutschen Kanzler: "Er personifiziert Kontinuität, aber diejenige, die zusammen mit dem Fehlen von Charisma und mit Mäßigung Langeweile verursacht." Scholz sei "nicht Willy Brandt". Er wecke keine Leidenschaften. "Sein Tonfall ist monoton, seine Körpersprache sehr schlecht und seine Reden zu dicht."

Tschechien:

Lidove noviny, eine konservative Zeitung, die bereits seit 1893 erscheint, schreibt: "Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz hat für seine neue Regierung große Pläne. Der Schwerpunkt liegt auf dem Wandel hin zu einer grünen Wirtschaft und auf der Digitalisierung. Doch letztlich wird sich die Handlungsfähigkeit des Kabinetts in Situationen zeigen, mit denen vorher niemand gerechnet hatte."

USA:

Die New York Times meint: "Olaf Scholz beabsichtigt, Deutschland zu einer Art politischem Labor zu machen, um zu versuchen, die Brücke zwischen den Sozialdemokraten und der Arbeiterklasse zu reparieren; ein Versuch, der Parallelen zur politischen Agenda von Präsident Biden in den Vereinigten Staaten aufweist."

Nahost:

Der Nachrichtensender Al Jazeera berichtet auf seiner arabischsprachigen Website zwar nicht über die Vereidigung von Scholz, dafür aber sehr wohl auf seiner englischsprachigen Internetpräsenz. Dort berichtet die Redaktion auch an prominenter Stelle. Mit seiner "bodenständigen No-Nonsense-Art" habe Scholz sich als Merkels logischer Nachfolger positioniert, schreibt das in Katar ansässige Medienhaus. Reporterin Step Vaessen beobachtete den Regierungswechsel in Berlin. Sie spricht von einem "historischen Tag für Deutschland". "Scholz", so Vaessen, "wird als ruhig und charismatisch gesehen. Er hat einen Wandel versprochen."

Südafrika:

Die südafrikanische Nachrichtenseite Independent Online, die zahlreichen kleineren Zeitungen des Landes als gemeinsamer Internetauftritt dient, stellt die Ähnlichkeiten zwischen Scholz und Vorgängerin Merkel heraus. Die scheidende Kanzlerin hinterlasse "große Fußstapfen" denn die Mehrheit der Deutschen sei "mit ihrer Führung zufrieden". "Obwohl er von einer rivalisierenden Partei kommt, hat Scholz sich diese Quelle der Zustimmung zu Nutze gemacht" heißt es in dem Artikel.

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