Fußball-Bundesliga:Tedesco sucht den RB-Mix

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Der Neue in Sachsen: Domenico Tedesco in der Leipziger Arena. (Foto: RHR-Foto/Imago)

In Leipzig wurde zuletzt über den Spielstil gestritten. Nun hat Domenico Tedesco als Trainer übernommen, der für schwer verdaulichen Fußball steht - sich jedoch ideologisch bei Julian Nagelsmann verortet, der bei RB vermisst wird.

Von Javier Cáceres, Leipzig/Berlin

Am Donnerstag wurde Domenico Tedesco als neuer Trainer von RB Leipzig vorgestellt, und es gab direkt eine Frage, von der er sagte, dass er sie erwartet hatte. Was logisch war, denn auch ihm war nicht verborgen geblieben, dass im sog. Netz ein Zitat kursierte, das zu Beginn seiner zweijährigen, im letzten Sommer beendeten Amtszeit bei Spartak Moskau entstanden war. Das Zitat lautete: "Für mich gehören der emotionale Aspekt, die Tradition, die Verbundenheit von Fans und Verein dazu, wenn ich mich für einen Verein entscheide", da sei er auch "ein Stück weit Romantiker." So Tedesco 2019.

Und nun also als neuer Arbeitsplatz das erst 2009 aus dem Boden gestampfte RB Leipzig, das Tedesco selbst am Donnerstag als ein "Riesenunternehmen" bezeichnete, das "klar strukturiert" sei - und bei dem er zu Ausbildungszeiten als Trainer einst bewusst hospitiert hatte? Interessante Wendung, das kann man schon so sagen.

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Er stehe zu den Dingen, die er gesagt habe, versicherte der 36-Jährige. Die Fußball-Romantik, sollte das heißen, habe er mitnichten abgelegt - aber die gebe es auch bei RB: "Ich glaube zu wissen und ich fühle es auch, dass es den Menschen hier nicht unwichtig ist, ob Leipzig ein Spiel gewinnt oder verliert", sagte der neue Chefcoach. Bei seinen Entscheidungen spielten aber durchaus auch andere Fragen eine Rolle, betonte er: "Wie ist der Verein aufgebaut? Wie ist der Kader? Wie sind die Strukturen? Wie innovativ ist ein Verein?" Ergebnis für Leipzig: "Bei möglichen zehn Punkten hat dieser Verein zehn Punkte." Und Tedesco hat nun einen Vertrag bei RB bis 2023.

Die mangelhaften Ergebnisse führten zu spannenden Debatten über die Frage, für welchen Fußball Leipzig stehen soll

In die Bundesligatabelle fließen diese zehn Punkte aber nicht ein, womit wir bei einem der Probleme wären, die Vorgänger Jesse Marsch zum Verhängnis wurden: Vor Tedescos Debüt an diesem Samstag (15.30 Uhr) gegen Borussia Mönchengladbach hat Leipzig erst 18 von 42 möglichen Ligapunkten gesammelt und steht nur auf Tabellenplatz elf (punktgleich übrigens mit dem ebenfalls kriselnden 13. aus Mönchengladbach).

Die mangelhaften Ergebnisse führten intern und extern zu spannenden Debatten über die Frage, für welchen Fußball Leipzig stehen soll, weil das Klubmanagement im Sommer mit Marsch zu einer klar definierten RB-DNA zurückkehren wollte - die Mannschaft allerdings für diesen Pressing-Umschalt-Ansatz immer weniger übrig hatte. Sie war unter Julian Nagelsmann mit einem ballbesitzorientierten Stil erfolgreich gewesen.

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"Etwas ermüdend" seien diese Debatten, sagte Geschäftsführer Oliver Mintzlaff, der am Donnerstag ebenfalls bei der virtuellen Pressekonferenz dabei war. Die fußballerischen Unterschiede zwischen den Trainern seien gar nicht so groß, wie sie gemacht würden, behauptete Mintzlaff. Dann nahm er ein Blatt Papier in die Hand, hielt es in die Kamera und markierte darauf mit dem Finger unterschiedliche Punkte: "Wenn wir die RBL-Spielphilosophie, die von Ralf Rangnick in den Klub getragen wurde, und für die wir weiterhin stehen, auf einem Blatt Papier aufmalen", sagte also Mintzlaff, "dann war Jesse vielleicht mitten im Zentrum, der Julian war hier, und Domenico ist hier." Das Wichtige aber, sagte Mintzlaff zum Abschluss seiner improvisierten Powerpoint-Präsentation: "Am Ende passt das alles auf die gleiche Seite."

Interimstrainers Achim Beierlorzer wird nicht mehr zum Trainerteam gehören

Tedesco selbst wollte sich mit Erklärungen zu seinen fußballerischen Vorstellungen noch nicht übermäßig weit aus dem Fenster lehnen. Er betonte, dass er durchaus in die Mannschaft reinhorchen werde, was gewiss nicht die schlechteste Idee ist: "Ich verschließe mich nicht", so der neue Trainer. In den vergangenen Tagen hatte sich, vor allem nach dem Champions-League-Sieg gegen Manchester City, der Eindruck aufgedrängt, dass das Team sich mehr oder weniger selbst aufgestellt und dabei auf Ideen aus Nagelsmanns Zeiten zurückgegriffen hätte - unter der kurzen Regie des Interimstrainers Achim Beierlorzer, der nicht zu Tedescos Stab gehören wird und vom Klub nun ebenfalls freigestellt wurde. Der neue Chef bringt stattdessen den früheren Bundesliga-Profi Andreas Hinkel und Max Urwantschky als Co-Trainer mit zu RB.

Auch er habe wahrgenommen, dass in Leipzig "der Name Julian Nagelsmann sehr häufig fällt", sagte Tedesco, und er quittiere dies mit Hochachtung. Dies könne nur daran liegen, dass Nagelsmann trotz seines Wechsels nach München "hier in vielen Köpfen und Herzen" geblieben sei: "Er kann also nicht viel falsch gemacht haben." Auch fachlich zog Tedesco den Hut vor Nagelsmann - und auch wenn man es "vielleicht nicht auf den ersten Blick" sehe, so empfinde er doch eine große ideologische Nähe zu Nagelsmann.

Von Tedesco ist das Bild eines Trainers haften geblieben, der oft einen schwer verdaulichen Fußball spielen ließ

Dass er das betonen musste, liegt auch an dem Image, das Tedesco seit seiner Zeit bei Schalke 04 nachhängt. In seiner ersten Saison wurde er dort zwar überraschend Bundesliga-Zweiter, danach aber schmierte die Mannschaft ab. Im März 2019 wurde Tedesco beurlaubt, und haften blieb das Bild eines Trainers, der wahnsinnig akribische Analysen betrieb, menschlich einwandfrei war, aber oft einen schwer verdaulichen, auf Konter ausgerichteten Fußball spielen ließ.

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Das sei schon in Moskau anders gewesen, sagte Tedesco. Bei Spartak habe er ein Team betreut, das zuletzt mit durchschnittlich knapp 60 Prozent Ballbesitz und einer hohen Zahl an Torchancen Liga-Topwerte aufwies. In einschlägigen Nerd-Foren wird schon länger debattiert, dass dieser Tedesco doch glatt in einem 4-3-3 mit breit aufgestellten Flügeln agiert habe. Die Ideen, von denen er überzeugt sei, werde er auch in Leipzig umsetzen, betonte Tedesco: "Es wird also ein Mix."

Wie das am Ende aussieht, wolle er lieber auf dem Rasen zeigen als groß erklären. Aber ob sich da das Spiel gegen Gladbach bereits als Maßstab nehmen lässt? "Wir haben nicht so viel Zeit", betonte Tedesco mit Blick am Samstag, seine taktischen Vorstellungen wolle er den Spielern erst mal "in abgespeckter Form" darbringen. Immerhin: Der Kader sei groß und gut genug, findet er, an Wintertransfers sei erst einmal nicht gedacht.

Es dürfte Tedesco auch beruhigen zu wissen, dass der noch nicht offiziell bekannte künftige Sportdirektor laut Mintzlaff bereits in die Trainersuche eingebunden war - und seine Begeisterung kundgetan habe. Ein Datum, wann dieser Mister X bei RB loslegt, wurde aber erneut nicht genannt. Womöglich kommt er doch erst zur neuen Saison.

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