Starkstromtrasse:Haimhausen erreicht Etappenziel

Hochspannungsleitung

Die Südtrasse orientiert sich an der bisherigen Leitung und liegt zwischen Inhausen und Inhauser Moos.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Kaum hat der Gemeinderat einen Teilflächennutzungsplan zu den neuen Tennet-Starkstromleitungen in einem Turboverfahren beschlossen, teilt die Regierung von Oberbayern mit: Die Nordtrasse soll nicht realisiert werden

Von Horst Kramer, Haimhausen

Es geht Schlag auf Schlag in Sachen der 380-Kilovolt-Freileitungen auf dem Gemeindegebiet Haimhausens. Erst am Donnerstag hatte der Gemeinderat seinen "Teilflächennutzungsplan zur Ausweisung von Konzentrationsflächen für Höchstspannungsfreileitungen" (kurz: TFNP) mehrheitlich verabschiedet. Am vergangenen Montag verschickte die Regierung von Oberbayern eine Pressemitteilung mit der Überschrift "Raumordnungsverfahren für den Ersatzneubau einer Höchstspannungsleitung von Oberbachern nach Ottenhofen abgeschlossen." Eine Zeile, die im Haimhausener Rathaus verständlicherweise für Aufregung sorgte. Denn sie könnte bedeuten, dass der TFNP gar keine Bedeutung mehr hat.

Doch womöglich hat der Plan schon seine Wirkung erzielt, bevor er offiziell in das Prüfungsverfahren der Münchner Regierungsbeamten eingeflossen ist. Einige Absätze weiter unten heißt es in dem Pressemeldung der Regierung von Oberbayern: "Der Trassenabschnitt 2a 'Haimhausen Nord' wird (...) als nicht raumverträglich bewertet. Hier wird auf einer nicht unerheblichen Länge erstmals in einen bisher weitgehend unzerschnittenen Landschaftsteil mit teils erheblichen Auswirkungen auf die Belange von Natur und Landschaft, insbesondere des Landschaftsbildes, eingegriffen." Mit anderen Worten: Dass die Nordtrasse realisiert wird, scheint sehr unwahrscheinlich.

Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU) kommentiert die Entwicklung vorsichtig: "Wir haben ein Etappenziel erreicht. Welches Ergebnis am Ende des Planfeststellungsverfahrens herauskommt, müssen wir abwarten." Zumal die Gemeinde nicht nur die Pressemeldung von der Regierung von Oberbayern erhalten hat, sondern auch eine 140-seitige Begründung, die sie an ihren Juristen Martin Engelmann sowie das Landschaftsplanungsbüro "Linke + Kerling" weitergegeben hat. "Die Fachleute müssen den Text nun genauestens prüfen und uns ihre Ergebnisse mitteilen", sagt Felbermeier.

Der Anwalt und die Landschaftsplaner hatten in dem TFNP-Projekt eine Schlüsselrolle gespielt. Sie waren auch am Donnerstag der Ratssitzung zugeschaltet. Es war das Turboende eines Turboverfahrens, dass es in dieser Weise in Deutschland selten gegeben haben dürfte: Die Kommune will mit dem Plan Einfluss auf die Trassenführung der 380-Kilovolt-Freileitungen nehmen, die der Netzbetreiber Tennet im Auftrag des Bundes von Erding nach Oberbachern errichtet. Ein Vorhaben, das erfolgreich gewesen zu sein scheint.

Erst Ende Juni hatte sich Kommune auf den komplizierten Planungsweg gemacht, der in der Regel mindestens ein oder zwei Jahre in Anspruch nimmt. Das Ziel der Gemeinde: mit diesem Plan im Raumordnungsverfahren der Regierung von Oberbayern "das Zünglein an der Waage zu sein" - wie es Bürgermeister Felbermeier formulierte. In diesem Verfahren sollen die Beamten die Vor- und Nachteile der Trassenführungsalternativen nach Gesichtspunkten entscheiden, die im Interesse der Allgemeinheit liegen - die durchaus lokalen Interessen entgegenstehen können. "Wir sind nicht gegen Stromtrassen, schließlich brauchen wir alle Strom", so Felbermeier. Das gilt insbesondere für den Landkreis Dachau, eine der am stärksten wachsenden Regionen im Freistaat.

Bekanntlich wehrt sich eine Haimhausener Bürgerinitiative sowie die Mehrheit des Gemeinderat gegen die nördlichere der beiden Trassenvarianten wegen ihrer Nähe zum Ortsrand. Die südlichere der beiden Trassenvarianten führt indes durch einige noch intakte Moorgebiete. Felbermeier wiederholte daher sein Diktum von der "Wahl zwischen Pest und Cholera". Ein Grund, warum die Grünen-Fraktion dem TFNP ihre Zustimmung wie schon im Oktober verweigerten. Felbermeier wiederum sieht die Zukunft der Kommune "essenziell" beeinträchtigt, sollte die Nordtrasse realisiert werden.

Starkstromtrasse: Die ungewollte Nordtrasse ist vorerst vom Tisch.

Die ungewollte Nordtrasse ist vorerst vom Tisch.

(Foto: Toni Heigl)

Die Chancen, bei der Regierung mit den Haimhausener Argumenten durchzudringen, schienen gering. In ihrer Stellungnahme zum Vorentwurf des TFNP räumte die Regierung zwar ein, dass "eine Lenkung der Siedlungsentwicklung (...) besonderes Gewicht zukommt", dass damit aber nicht die "Nutzungsart" festgelegt sei. So wäre in den "betroffenen Bereichen", also dem Südrand des Ortes, "eine gewerbliche Nutzung uneingeschränkt möglich", auch wenn dort Starkstromtrassen verlegt seien. Immerhin hieß es auch: Eine abschließende Bewertung könne erst nach Abschluss des Raumordnungsverfahrens erfolgen.

Durchaus ermutigend für die Gemeinde war hingegen, dass sich gleich mehrere Institutionen zugunsten der Südtrasse ausgesprochen haben, darunter das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Bayerische Bauernverband und die Gemeinde Eching. Die Nachbarkommune will "ihre nördlichsten Ortsteile vor schädlichen Einwirkungen schützen", wie es in der Stellungnahme heißt. Den Echingern geht es um die "Schutzgüter Mensch und Landschaft" und um Moorlandschaft, die durch die Aufstellung der Großmasten Schaden nehmen kann. "Diese Stellungnahmen kommen uns entgegen", befand Felbermeier. Die Echinger sehen indes auch die Schäden, die die Niedermoorwaldrelikte im Inhauser Moose nehmen können, wenn dort Großmasten aufgestellt werden. Der Landesbund für Vogelschutz hatte schon im Oktober ausführlich auf die Problematik hingewiesen.

Der Netzbetreiber Tennet sprach der Gemeinde auch in seiner zweiten Stellungnahme das Recht ab, in das Raumordnungsverfahren mit einer eigenen Planung einzugreifen. Der Konzern hat nun seinen Widerspruch gegen das TFNP-Verfahren eingelegt.

Zu jeder Stellungnahme hatte das Rathaus Beschlussvorschläge vorgelegt. Sie wurden von den anwesenden Ratsmitgliedern mehrheitlich abgesegnet, gegen die Stimmen der vier Grünen-Gemeinderätinnen. Nach den Abstimmungen dankte Felbermeier den Planerinnen des Landshuter Landschaftsplanungsbüros "Linke + Kerling", die das Werk fachlich ausgearbeitet hatten, sowie dem juristischen Berater der Kommune, dem Rechtsanwalt Martin Engelmann, für die "tolle Zusammenarbeit". Dass die Fachleute keine vier Tage später erneut zum Einsatz kommen, hätte wohl niemand erwartet.

Starkstromtrasse: Peter Felbermaier.

Peter Felbermaier.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Im Rathaus wird nun darüber spekuliert, dass das TFNP-Verfahren einigen Einfluss auf das Raumordnungsverfahren gehabt hat. In der Begründung der Regierung fänden sich Passagen, die der Argumentation des TFNP fast wörtlich entsprächen, erklärt ein Rathausmitarbeiter der SZ Dachau. Ebenso wichtig sei wohl das Engagement der Haimhausener Bürgerinitiative (BI) gegen die Nordtrasse gewesen: Die Tatsache, dass die BI fast 1500 Unterschriften gesammelt hatte, wird in der Begründung ausdrücklich erwähnt.

Eine gewisse Unsicherheit bleibt, denn in der Pressemeldung heißt es weiter: "Aufgrund der vorliegenden Planungstiefe können einige noch offene Fragen zum Beispiel zur FFH-Verträglichkeit oder zu artenschutzrechtlichen Belangen im Rahmen eines Raumordnungsverfahrens noch nicht abschließend beurteilt werden. Diese Belange sind grundsätzlich im Rahmen eines nachfolgenden Genehmigungsverfahrens zu prüfen."

Felbermeier kann sich in seiner Einschätzung der beiden Trassen bestätigt fühlen: "Wir sind mit beiden Varianten nicht glücklich." Denn beim einer Südtrasse könnten streng geschützte Moorareale unwiederbringlich geschädigt werden. Dennoch herrscht eine gewisse Erleichterung im Rathaus vor. Zumal ja die Ergebnisse des TFNP auch im weiteren Verfahren berücksichtigt werden können.

Der Netzbetreiber Tennet wertet das Ergebnis übrigens rundweg positiv. Nicht überraschend, denn die südlichere Trasse ist kürzer, also kostengünstiger. Auf die Naturschutzfragen geht der Konzern nur mit dem Satz ein: "Besondere Maßgaben für die weitere Planung muss Tennet für das Landschaftsschutzgebiet, den Arten- und Biotopschutz sowie die Land- und Forstwirtschaft berücksichtigen." Probleme vor Ort erwarten die Starkststrom-Netzbetreiber wohl nicht, sie verweisen ausdrücklich darauf, dass die Südvariante "vor Ort mehrheitlich befürwortet" wird.

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