Nordrhein-Westfalen:Per Quote gegen den Mangel

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Mediziner protestieren gegen die Pläne von Karl Lauterbach, die Neupatientenregelung aufzuheben. (Foto: Lars Berg, via www.imago-images.de/imago images/Lars Berg)

Nach drei Jahren Erfahrung lobt die Regierung in Düsseldorf ihr Programm zur Ausbildung von mehr Landärzten.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Gegen die drohende medizinische Unterversorgung von Dörfern und Kleinstädten will Nordrhein-Westfalen weiterhin auf seine "Landarztquote" setzen. Das kündigte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann zum Jahreswechsel an. Der CDU-Politiker hatte vor drei Jahren ein zunächst umstrittenes Gesetz durchgefochten, wonach jährlich jeder 13. Medizin-Studienplatz im bevölkerungsreichsten Bundesland für Bewerber reserviert ist, die sich nach ihrer Ausbildung für mindestens zehn Jahren zu einer Tätigkeit als Hausarzt in einer vom Ärztemangel bedrohten Gegend verpflichten. Inzwischen haben acht weitere Bundesländer, darunter Bayern und Baden-Württemberg, Regelungen eingeführt, die künftige Landärzte bei der Studienplatzvergabe bevorzugen.

Mit seiner Quoten-Regelung hatte NRW Ende 2018 auf Prognosen reagiert, wonach sich in zumeist ländlichen Regionen wie dem Sauerland, in Ostwestfalen, aber auch in einzelnen Städten am Rande des Ruhrgebiets eine dramatische Unterversorgung abzeichnete. Derzeit sind von ungefähr 11 000 Hausärztinnen im Bundesland mehr als die Hälfte bereits über 55 Jahre alt. Bis zum Jahr 2030 droht daher in etlichen NRW-Gemeinden die Zahl der niedergelassenen Hausärzte, Internisten oder auch Kinderärzte auf weniger als die Hälfte des Bedarfs zu sinken. Allerdings wirkt die Quote erst langfristig: Einschließlich der Facharzt-Ausbildung dauert das Studium zwölf Jahre, die ersten Quoten-Ärzte dürften ihre Praxen wohl nach dem Jahr 2030 übernehmen.

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Drei Jahre nach Einführung der NRW-Landarzt-Quote (LAQ) zog Laumann nun eine erste Zwischenbilanz. Das Förderprogramm sei "sehr erfolgreich angelaufen" und habe sich etabliert. Der Andrang sei groß, für jeden der jährlich 180 per Quote reservierten Studienplätze hätten sich im Durchschnitt sieben junge Anwärter gemeldet, 63 Prozent waren Frauen. Aktuell seien 473 Studierende nach den Regeln des Landarztgesetzes immatrikuliert. Darauf, so Laumann, sei er "stolz".

Offensichtlich lockt die Landarztquote Studienbewerber an, die früher durch die Vergabe rein nach Abiturnoten (in NRW gilt für Medizin ein Numerus Clausus von 1,0) keine Chance hatten. Für das Landarzt-Programm des Landes gelten andere Regeln: In einer ersten Auswahlstufe fließt neben der Abi-Note (zu 30 Prozent) und dem Ergebnis des (eher theoretischen) "Medizinertests" (TMS) auch ein, ob die Kandidatinnen etwa als Pfleger, Krankenschwester, Sanitäterin oder auch Physiotherapeut praktische Erfahrung, Empathie und Antrieb für den Arztberuf gewonnen haben.

Wer sich nach dem Studium anders entscheidet, muss mit bis zu 250 000 Euro Strafe rechnen

Tatsächlich verfügten 45 Prozent der Bewerber über solche (oft mehrjährige) Berufserfahrung. Auch deshalb sind angehende Landarzt-Studierende mit knapp 24 Jahren deutlich älter als ihre Kommilitonen. Allerdings, so bedauert der neue Bericht der NRW-Regierung, sei der Anteil der Bewerberinnen mit solchen "Erfahrungswerten in medizinaffinen Berufen" zuletzt zurückgegangen: Hoffnungen, die Quote könne das Profil des typischen Medizinstudenten verändern, scheinen nicht aufzugehen.

Die wirkliche Nagelprobe für den Erfolg des NRW-Programms lauert im Jahr 2027: Erst dann dürften die ersten Studierenden, die sich zu mindestens zehn Jahren Tätigkeit als Landarzt verpflichteten, ihr Staatsexamen machen und eine Facharzt-Ausbildung beginnen. Laut Vertrag müssen sie sich dann für eine Karriere als Allgemeinmediziner, als Internist oder als Kinderarzt entscheiden. Tun sie dies nicht, droht ihnen eine Strafe von 250 000 Euro. Wer schon vorher, also während des regulären Medizinstudiums, seinem Traum vom Arztberuf abschwört, kommt ohne diese Buße davon.

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