Klinikum Freising:An der Belastungsgrenze

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Während Corona mussten nicht nur Operationen verschoben, sondern auch die psychosomatische Abteilung geschlossen werden. (Foto: Johannes Simon)

Das Klinikum Freising hat wie so viele andere Krankenhäuser in Deutschland coronabedingt hohe Verluste gemacht. Für 2021 wird mit einem Minus in Höhe von 3,6 Millionen Euro gerechnet. Jetzt will man sich neu ausrichten und der Landkreis muss daher investieren.

Von Peter Becker, Freising

Das Freisinger Klinikum bildet keine Ausnahme: Den Krankenhäusern in Deutschland geht es wirtschaftlich so schlecht wie seit über 20 Jahren nicht mehr. 60 Prozent der Kliniken rechnen für 2021 mit wirtschaftlichen Verlusten. Diese Zahlen stammen aus dem Krankenhaus-Barometers des Deutschen Krankenhausinstituts, welche das RedaktionsNetzwerk Deutschland auswertete.

Eine so düstere Bilanz habe es seit der Einführung des Krankenhaus-Barometers im Jahr 2000 noch nicht gegeben. Landrat Helmut Petz rechnet für das Jahr 2021 mit einem Minus von 3,6 Millionen Euro für das Freisinger Klinikum. Das ist zum Teil Corona geschuldet, zum Teil aber auch politischen Entscheidungen. Das Klinikum will sich neu ausrichten und muss daher investieren.

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Geprägt war das Jahr durch den nicht enden wollenden Kampf gegen die Coronapandemie. Die aktuell vierte Welle brachte das Personal an seine Belastungsgrenzen. Beschränkungen, wie etwa das Verbot planbarer Operationen, schlugen sich negativ in der Jahresbilanz nieder. Einiges konnte durch gute Verhandlungen mit den Krankenkassen ausgeglichen werden. Für kommendes Jahr rechnet Petz mit einem Minus von 2,9 Millionen Euro. Mittelfristig soll in der Jahresbilanz wieder eine "schwarze Null" stehen, sagte der Landrat beim Jahresabschlussgespräch.

Immerhin ließen sich die Patientenzahlen und die Erlöse im Vergleich zum ersten Pandemiejahr 2020 wieder steigern. Zuversichtlich stimmt laut Jahresbericht des Landkreises das Leistungsspektrum: Es gehe mit den Abteilungen für Wirbelsäulenchirurgie, Psychosomatik, Palliativmedizin, Spezialbereichen wie der Lymphangiologie und dem "Medizinischen Versorgungszentrum Klinikum Freising" für spezielle Schmerztherapie deutlich über das klassische Angebot der Grund- und Regelversorgung hinaus.

Während Corona mussten nicht nur Operationen verschoben, sondern auch die psychosomatische Abteilung auf Anweisung der Regierung geschlossen werden. Das Personal war dringender bei der Versorgung der Coronapatienten gefragt. "Es hat Einschränkungen gegeben", bestätigte Christian Fiedler, der selbst am Klinikum beschäftigt ist, in der Kreistagssitzung im Dezember. Es seien weniger Patienten behandelt worden. Manche seien sogar abgewiesen worden.

Christian Fiedler ist der Leiter der Notaufnahme und Hygienebeauftragter im Klinikum Freising. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Personalsituation am Klinikum bezeichnete Petz während des Jahresabschlussgesprächs als "bescheiden". Ein Grund dafür sind "Leiharbeiter", die das Klinikum einstellen muss, weil ihm selbst die nötigen Fachkräfte fehlen. "Da müssen wir gegensteuern", betonte Petz. Zum einen seien diese Arbeitskräfte teurer als das selbst ausgebildete Personal.

Zum anderen identifizierten sich diese weniger mit dem Klinikum als das Stammpersonal. Während die einen sagten: "Das ist mein Krankenhaus. Dafür häng ich mich rein", seien die Anderen schnell wieder verschwunden, wenn es einen anderen Arbeitsplatz zu besseren Konditionen gebe oder sie sich überlastet fühlen würden.

"Wir wollen eigenes Personal aufbauen, kriegen aber die Leute nicht", bedauert Petz. Viele bevorzugten attraktivere Gegenden oder scheuten sich davor, in die Münchner Region mit ihren teuren Wohnungen zu ziehen. Im Ausschuss für demografische und soziale Fragen soll demnächst über einen neuen Ausbildungsstrang gesprochen werden, der es dem Klinikum ermöglicht, mehr Personal zur Hilfs- oder Fachkraft auszubilden. "Wir haben aber eine sehr hohe Fluktuation", gibt Petz zu bedenken. Weil die Ausbildung breit angelegt ist, wandern viele hinterher in die Altenpflege und andere Bereiche ab. Oder sie kehren in den Landkreis zurück, aus dem sie herstammen.

Viele sagten nach ihrer Ausbildung, das hätten sie sich aber anders vorgestellt, begründete Christoph von Schilling (FSM), Kreisrat und selbst am Klinikum beschäftigt, in der jüngsten Kreistagssitzung, warum viele Schülerinnen und Schüler nach bestandener Prüfung nicht am Freisinger Krankenhaus bleiben. Einige wechselten in Spezialgebiete, in denen es weniger stressig sei als in der Krankenpflege auf Station. Viele junge Leute wechselten in Arbeitsfelder, die mit normalem Zeitaufwand zu bewältigen seien. Petz erhofft sich frischen Wind durch neue Pflegeleiter, die sich gut in junge Menschen einfühlen könnten.

Das Klinikum ist bemüht, die Arbeit am Krankenhaus attraktiver zu gestalten. Sei es durch eine Großraumzulage oder günstigen Wohnraum. In nicht allzu ferner Zukunft sogar durch eine Kindertagesstätte extra für die Angestellten, wenn der Masterplan für die Umgestaltung des Krankenhausgeländes genehmigt ist. Anhand dessen will der Landkreis günstigen Wohnraum schaffen. Der Masterplan sieht auch vor, das in die Jahre gekommene Schwesternheim abzureißen und durch ein neues Gebäude zu ersetzen. "Die Stadt legt den Bebauungsplan im Februar aus", sagte Petz während des Jahresabschlussgesprächs.

Nach den Vorschlägen der Taskforce, welche die Attraktivität des Klinikums steigern möchte, will dieses in den kommenden Jahren neue Bereiche aufbauen. Bereits umgesetzt ist die "interventionelle Radiologie". Dabei handelt es sich um ein Fachgebiet, das sich Röntgen, Ultraschall, Computer- und Magnet-Resonanz-Tomographie für minimal-invasive diagnostische und therapeutische Eingriffe zunutze macht. Zum Beispiel bei Schlaganfällen, um verstopfte Adern aufzubohren. Geplant ist eine Gerontologie. Dafür gibt es einen dringenden Bedarf angesichts der Prognose, dass zum Jahr 2039 über 40 Prozent der Landkreisbürgerinnen und -bürger über 70 Jahre sein werden.

Überdies rüstet sich das Klinikum für demente Patienten. Das Klinikum Freising ist der vom Landratsamt Freising initiierten "Lokalen Allianz für Menschen mit Demenz" beigetreten. Diese engagiert sich für eine bessere private Versorgung von Betroffenen im Landkreis. Seit Kurzem gibt es am Klinikum eine spezielle Box, in der sich Bücher, Spiele und Malutensilien befinden. So kann das Personal Patienten das speziell für Demente entwickelte Material anbieten, um sie geistig zu aktivieren.

© SZ vom 03.01.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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