Steuerpolitik:Wer von Corona profitiert, sollte auch zahlen

Steuerpolitik: Mit der hohen Inflation und den Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit bleibt Geringverdienern wenig, was in einem Schließfach Platz hätte.

Mit der hohen Inflation und den Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit bleibt Geringverdienern wenig, was in einem Schließfach Platz hätte.

(Foto: Jens Wolf/picture alliance/dpa)

Während Aktienkurse und Immobilienpreise steigen, kämpfen vor allem ärmere Menschen mit Inflation und Kurzarbeit. Es wird Zeit, dass die Politik Maßnahmen gegen die Ungleichheit ergreift.

Kommentar von Caspar Busse

Es ist ein gefährlicher Trend für eine Gesellschaft, die ohnehin eher auseinanderdriftet und in der die Spannungen immer größer werden könnten: Corona hat die Unterschiede zwischen Reich und Arm auch in Deutschland anwachsen lassen. Diejenigen, die ohnehin haben, werden in der Pandemie reicher. Für diejenigen, die kämpfen müssen, wird es noch schwieriger. Die Ungleichheit steigt also. Die Politik sollte dringend gegensteuern, aber es sieht derzeit nicht so aus, als ob die neue Ampel-Regierung die Kraft dazu hat.

In Summe sind die privaten Haushalte in Deutschland so reich wie noch nie. Nach einer aktuellen Analyse der DZ Bank dürfte das Geldvermögen 2021 um mehr als sieben Prozent auf den Rekordwert von fast 7,7 Billionen Euro gestiegen sein. Berücksichtigt werden in dieser Auswertung Bargeld und Bankeinlagen, Wertpapiere wie Aktien und Fonds sowie Ansprüche gegenüber Versicherungen. Über die genaue Verteilung der Vermögen gibt es noch keine Angaben. Klar ist aber, dass nicht die unteren Einkommensklassen profitiert haben - eher im Gegenteil.

Von den boomenden Aktienkursen profitieren vor allem die Bessergestellten

Denn in der Pandemie legten die Aktienkurse teilweise deutlich zu, die Börsen erreichten Höchstwerte. Davon profitieren aber vor allem die, die genügend am Kapitalmarkt angelegt haben (ganz zu schweigen von den rasant steigenden Immobilienpreisen, die in den aktuellen Zahlen gar nicht berücksichtigt sind). Auch wurde mehr gespart und weniger ausgegeben, das können sich vor allem besser situierte Haushalte leisten. Dazu kommt die aktuell sehr hohe Inflation von gut fünf Prozent, die in der Regel untere Einkommensschichten härter trifft - übrigens genauso wie Kurzarbeit, die zu Einkommenseinbußen führen kann.

Schon gibt es radikale Forderungen wie die von Marlene Engelhorn. Die Wiener Germanistik-Studentin stammt aus einer reichen Familie, Vorfahren hatten unter anderem den Chemiekonzern BASF gegründet, sie will ihr großes Erbe aber nicht und tritt für eine radikale Besteuerung von Erbschaften und Vermögen ein. Große Erbschaften verschärften die Ungleichheit massiv, analog zu einer Armutsschwelle solle man eine Reichtumsschwelle einführen, sagt sie. Zusammen mit anderen Wohlhabenden hat sie die Organisation Tax-me-now gegründet und fordert: "Besteuert uns jetzt!".

Das ist vielleicht unrealistisch, aber eine stärkere Belastung der Vermögenden ist in der aktuelle Lage durchaus geboten. Die Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte steigt in der Pandemie enorm. Es liegt nahe, dass in dieser Ausnahmesituation zur Finanzierung der Corona-Folgen vor allem die herangezogen werden sollten, die starke Schultern haben und die von der Pandemie eher profitieren. Möglich wäre eine - auch vorübergehende - Anhebung der Steuersätze für sehr hohe Einkommen, eine stärkere Besteuerung von Erbschaften oder das Wiederaufleben einer moderaten Vermögensteuer, wie es auch die SPD im Wahlkampf gefordert hatte.

Dass das alles nicht passiert, scheitert in der Ampel-Koalition am Widerstand der FDP und an Bundesfinanzminister Christian Lindner. Der lehnt jede Steuererhöhung kategorisch ab, auch aus Angst um die Konjunktur, und kündigt vielmehr Steuerentlastungen an. Er ist damit auf dem falschen Weg - und unterschätzt möglicherweise seine Wählerschaft. Denn auch bei manchem Vermögenden hat sich inzwischen die Einsicht durchgesetzt, dass eine moderate Steuererhöhung hinnehmbar wäre.

Weihrauch, Gold und Myrrhe brachten einst die Heiligen Drei Könige als wertvolle Gaben mit, als sie das neugeborene Jesuskind im ärmlichen Stall in Bethlehem besuchten. Wohlhabende, die weit reisen und sich teure Geschenke leisten können, und Menschen am Existenzminimum, die keine Unterkunft finden können - das gab es also schon in der Bibel. Und auch damals haben die Reichen gegeben.

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