Kunst:Ein Seins-Zustand in Rosarot

Kunst: Immer im perfekt abgestimmten Outfit: Das Duo "Eva & Adele", hier in der Galerie von Nicole Gnesa in München.

Immer im perfekt abgestimmten Outfit: Das Duo "Eva & Adele", hier in der Galerie von Nicole Gnesa in München.

(Foto: Tina Volk)

Eva & Adele sind mehr als ein Künstlerinnen-Duo. Sie sind ein performatives Gesamtkunstwerk - und haben schon Geschlechtsidentität gelebt, lange bevor diese zu einem Schlagwort unserer Zeit wurde.

Von Evelyn Vogel, München

Es ist einer dieser seltenen Momente, in dem die beiden von ihrem Leben erzählen, bevor sie "EVA & ADELE" wurden. Gesittet wie zwei Schulmädchen sitzen sie beim Künstlergespräch auf einem Sofa in der Villa Stuck und beantworten eher verhalten (Eva) und manchmal wie ein Teenager glucksend (Adele) die Frage nach dem Kennenlernen. Es war in Italien, Ende der Achtzigerjahre, ein zufälliges Treffen zweier Menschen, die beide als Künstler bereits ihren Weg eingeschlagen hatten. Sie tanzten den ganzen Abend "den Tanz unseres Lebens", so Adele. Danach lud Eva (damals noch im Aussehen eines Mannes, als der sie geboren worden war) Adele in seinen Camper ein, um ihr Fotos von sich zu zeigen - alle in Frauenkleidung. "Ich hatte mit Flucht gerechnet", sagt Eva mit einem trockenen Grinsen, "als ich ihr sagte, dass ich am liebsten genau so für immer gerne leben würde".

Doch Adele flüchtete nicht. Statt dessen wurden der Österreicher und die Deutsche ein Paar und entwarfen das lebenslange Gesamtkunstwerk EVA & ADELE. Keine Verkleidung, keine Rolle, sondern ein gelebter Seins-Zustand. Sie stilisierten sich als Hermaphroditen, um eine Übergeschlechtlichkeit zu thematisieren. Sie hinterfragten Geschlechtsidentität, lange bevor Gender, Queer, Androgynität, Non-Binarität oder Transsexualität zu Schlagworten unserer Zeit wurden.

So betraten sie im Frühjahr 1991 die Welt, deren Mittelpunkt zu jener Zeit Berlin war und wo sie seither leben. Damals noch ziemlich misstrauisch von der Kunstwelt beäugt, auch weil sie sich mit ihrer Performance einfach frech und ungebeten in die "Metropolis"-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau in Berlin schmuggelten. Ihr Motto bis heute: "Wo wir sind ist Museum."

Dass dieses Gesamtkunstwerk keine Vergangenheit hat, weswegen sie nach eigenen Angaben mit einer Zeitmaschine aus der Zukunft kamen, gehört ebenfalls zum Konzept. "Futuring" - das ist der Schlachtruf dieses ungewöhnlichen Künstlerinnenduos, das mitunter mit Gilbert & Georg aus England oder Pierre et Gilles aus Frankreich verglichen wird. Ähnlich wie Erstere sind Eva & Adele immer sehr adrett gekleidet. Ihre gesamte äußerst feminine Garderobe, die oft aus bunten, gern pinkfarbenen Kleidchen oder Kostümchen besteht, sowie alle Accessoires, die Schuhe, den Schmuck und die Handtaschen entwerfen sie selbst. Die Schädel tragen sie immer kahl geschoren - ein Sichtbarmachung des männlichen Anteils ihrer Persönlichkeit. Das Make-up mit den großen, dunkel umrahmten Kulleraugen ist fast bis ins kleinste Detail identisch. Nur dass Eva diesen Tropfen auf der Stirn trägt, der an indische Segenszeichen erinnert.

Fotos mit ihnen darf man gerne machen - aber sich niemals zwischen sie stellen

Eva & Adele sind ein Ereignis. Doch sie sind nicht nur ein wandelndes Gesamtkunstwerk, sondern auch Künstlerinnen, deren Arbeiten in zahlreichen Museen, öffentlichen wie privaten Sammlungen und derzeit in der Galerie von Nicole Gnesa in München gezeigt werden. Dieses Werk - Malerei in verschiedenen Techniken, zahlreiche Übermalungen sowie Installationen von Fotoporträts, jahrelang als Polaroids, inzwischen auch als Handyfotos - basiert auf ihrer performativen Lebensweise und kam schon in ihrer ersten Ausstellung "Cum" 1997 im Sprengel-Museum in Hannover zum Ausdruck.

Wo sie auftauchen, ziehen sie sofort die Blicke auf und nicht selten die Frage nach sich: Darf ich ein Foto mit Ihnen machen? Gerne stimmen sie zu. Aber sie stellen zwei Bedingungen. Zum einen: Eine Kopie oder ein zweites Foto (zu Polaroid-Zeiten) wollen sie selbst haben. Denn all diese Fotos werden Teil ihres bildnerischen Werkes. Bedingung Zwei: Niemand stellt sich bei den Aufnahmen zwischen sie, denn "zwischen uns passt kein Blatt". So beschied es Adele - natürlich in der freundlichsten, sanftesten, herzallerliebsten Art und Weise, die Eva & Adele so sehr zu eigen ist - der Autorin dieser Zeilen einst auf der Art Basel, als diese in Kenntnis des Umgangs mit solchen Aufnahmen die Bitte nach einem Foto äußerte.

Einen Ausschnitt aus dem Werk von Eva & Adele zeigt Nicole Gnesa in der mittlerweile fünften Ausstellung derzeit in ihrer Galerie. Zu sehen sind dort zwei große Ölgemälde der Serie "Time Traveler Cum" von 1998/2018 und etliche Gouachen der Serie "Cum". Sie sind in mehreren performativen Akten aus Fotografie, Malerei, Materialeintrag und Übermalung entstanden. Zahlreiche Polaroids der zugehörigen Serie wurden als Wallpaper installiert, die den kleinen Raum fast sprengt. Einen etwas umfangreicheren Einblick in das Schaffen des Künstlerinnen-Duos gewährt das kürzlich erschienene Buch, das wie die Ausstellung den Titel "Keep the Rosy Wing Strong" trägt. Es zeigt, wie nimmermüde Eva & Adele ihren Porträts und ihrer Formensprache neue Facetten abgewinnen können.

Wie ernst es den beiden mit der Geschlechteridentität ist, dass ihre lebenslange Performance pure Überzeugung ist, zeigt ein weiteres Detail ihre Biografie - die offiziell nur aus den Angaben zu den Körpermaßen der beiden besteht: 176-101-81-96 und 161-86-68-96. Mittlerweile verheiratet, lebten sie seit 2011 in einer eingetragenen Partnerschaft als zwei Frauen. Zuvor musste Eva jedoch zahlreiche Hürden überwinden, um amtlich als Frau anerkannt zu werden. Wie viel einfacher hätten es sich die beiden machen können, hätte Eva amtlich ihren Status als Mann behalten. Aber auf ihr Frau-Sein verzichten kam für sie nicht in Frage. Auch deshalb ist das Gesamtkunstwerk Eva & Adele so echt.

Eve & Adele: Keep the Rosy Wing Strong, Ausstellung bei Nicole Gnesa, Kolosseumstr. 6, Innenhof, noch bis 22. Januar, nach Vereinbarung Tel.: 089-20207665; die gleichnamige Publikation, herausgegeben von Nicole Gnesa, ist im Hirmer Verlag erschienen (39,90 Euro)

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