Haushaltstreit:Geschwätz von gestern

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Christian Lindner setzt nach eigener Aussage "ein kraftvolles Signal der Handlungsfähigkeit". (Foto: Arnulf Hettrich/imago images)

Der Streit um des Finanzministers 60-Milliarden-Nachtragsetat offenbart, wie moralisch flexibel Politiker sein können.

Kommentar von Henrike Roßbach

Der Haushaltsausschuss ist eine machtvolle Einrichtung. Minister, die dem Gremium nicht den gewünschten Respekt zollen, müssen schon mal länger warten, bis sie vorgelassen werden. Und in den Bereinigungssitzungen können Abgeordnete zu Helden ihres Wahlkreises werden, wenn doch noch Geld rausspringt für ein Herzensprojekt in der Heimat. Aktuell aber ist dieser Ausschuss vor allem der Ort, an dem sich die Mechanismen der Politik aufs Allerschönste besichtigen lassen.

An diesem Montag werden Experten dort ihre Einschätzung abgeben, ob die Ampel mit ihrem 60-Milliarden-Nachtragsetat sehr schlau oder sehr verfassungswidrig vorgeht. Die eine Hälfte wird es so, die andere anders sehen. Interessanter aber ist, wie die politischen Akteure es sehen. Nämlich komplett anders als früher, sprich: vor der Wahl.

Die Antagonisten sind Christian Lindner, FDP-Chef und Finanzminister, und Helge Braun, Ex-Kanzleramtsminister und jetzt Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Beide zusammen sind sie die Protagonisten des Stücks: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?" Denn als die FDP noch Opposition war, fanden Lindner und die Seinen es noch schwer verfassungswidrig, als die große Koalition 2020 qua Nachtragshaushalt gut 26 Milliarden Euro in den Energie- und Klimafonds verschob.

Jetzt tut Lindner das Gleiche mit 60 Milliarden Euro und nennt es "ein kraftvolles Signal der Handlungsfähigkeit". Braun wiederum schlug vor einem Jahr vor, die Schuldenbremse fürs Erste ganz auszusetzen. Nun aber nennt er Lindners Haushaltstrick unseriös.

Der Mann also, der die Schuldenbremse aussetzen wollte, sorgt sich plötzlich um sie. Und der Mann, der sich sehr um sie sorgte, schleust Milliarden an ihr vorbei. Man kann das für pragmatisch halten. Oder für einen Haltungsschaden.

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