"Euphoria", zweite Staffel, bei Sky:Die schönste Zeit

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Die Jugend als glitzerndes Etwas aus Erwachen und Absturz: Die Serie "Euphoria" geht in die zweite Staffel. (Foto: Sky)

In keiner Serie funkeln die Abgründe der Jugend so schön verführerisch wie in "Euphoria". Dann noch der beste gefälschte Orgasmus der Filmgeschichte dazu - was soll da schiefgehen?

Von Juliane Liebert

Die zweite Staffel von Euphoria beginnt mit einem Knall. Eine Großmutter schießt ihrem Schwiegersohn im Stripclub in die Beine, ein Baby badet in einer Küchenspüle und isst dabei Zigaretten aus einem Aschenbecher. Es folgen Drogenhandel, rohe Gewalt, eine Party, ein Betrug, eine Überdosis, ein zarter Flirt, jemandem wird das Gesicht eingeschlagen. Andere Serien würden mit den Ereignissen allein der ersten Folge eine ganze Staffel füllen, aber nein, nicht Euphoria. Euphoria nimmt ein paar harte Kurven und entwickelt sich zu einer Art The Wire als Coming-of-Age-Romcom. Haben wir The Wire mit Glitzer-Make-up gebraucht? Offenbar ja. So ist es mit den Abhängigkeiten: Sie beginnen mit Spaß und bunten Lichtern und zerren einen dann ins Verderben.

2019 begann die Erfolgsgeschichte der kontroversen Serie um eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern, deren Leben von psychischen Krankheiten, Traumata, Instagram, Drogen, Partys und Freundschaft geprägt ist. In schönen Bildern zeigten uns schöne junge Menschen, wie kompliziert der ganze Mist mit dem Heranwachsen noch immer ist. Der Ton der neuen Folgen ist vom ersten Moment an noch mal deutlich düsterer als in der ersten Staffel. Rue (Zendaya) verstrickt sich tiefer in ihrer Drogensucht. Wenn man der Serie eines nicht vorwerfen kann, dann, dass sie Drogen idealisiert. Euphoria verschleiert nichts. Weder die Grausamkeiten der Beschaffung noch die psychischen und körperlichen Folgen und die destruktive Kraft, mit der eine Sucht gerade die Bindung zu den Menschen zerstört, die einem am wichtigsten sind. Aber auch den anderen Charakteren wird übel mitgespielt. Alles sieht fantastisch aus, es wird viel getanzt und gefühlt und intensiv gelitten, aber die Probleme sind so real und ausgewachsen, wie sie nur sein können.

Wenn man Teenager weinen sehen will, kann man ihnen auch einfach das Smartphone wegnehmen

Leider verliert die Serie dabei stellenweise etwas von der Leichtigkeit und Genauigkeit, die sie trotz der ernsten Grundthemen in der ersten Staffel besaß, und verliert sich in Drogen-Gangster-Storys und ausgedehntem Melodrama. Wenn man Teenager weinen sehen will, kann man ihnen ja auch einfach das Smartphone wegnehmen, dazu braucht man kein Sky-Abo.

In der ersten Staffel hatte jede Figur ihr eigenes Konzept und ihren Raum. Euphoria lebte nicht von seiner Brutalität, sondern von seinem Einfühlungsvermögen mit der Generation, die es porträtierte. Seiner Darstellung von Weiblichkeit, seiner unsentimentalen Darstellung von erwachender Sexualität. Davon, wie selbstverständlich mit Queerness umgegangen wurde; davon, dass es visuell durchstilisiert, fast musikvideoartig war und trotzdem die doppelten Böden der Gegenwart vorführte. Auch der zweiten Staffel gelingt das in manchen Momenten: Kat (Barbie Ferreira) wird in einer Szene von einer ganzen Herde von Instagram-Models zu mehr Selbstliebe genötigt. Sie reden auf sie ein, bis sie schreit, dass sie sich aber nun mal einfach nicht liebt, sondern hasst. Wer hätte gedacht, dass man die glatte Ästhetik von Instagram nutzen kann, um die Abgründe der Jugend zu zeigen? Euphoria ist ein schöner Abgrund.

Außerdem bietet die Staffel den besten gefälschten Orgasmus der Filmgeschichte. Man will ihn nicht zweimal sehen und auch möglichst nicht erleben, aber er ist unvergesslich. Wie die Jugend, die ja als die schönste Zeit des Lebens gilt. Aber wenn man sie näher betrachtet, ist man schon froh, dass sie vorbei ist.

Euphoria, zweite Staffel, acht Folgen, bei Sky

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