Slalomfahrerin Lena Dürr:Schon wieder unter den besten drei

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Eine Sekunde hinter den Schnellsten, dafür schneller als der Rest: Lena Dürr bejubelt ihren dritten Podestplatz in einem Weltcup-Slalom. (Foto: Harald Steiner/Gepa/Imago)

Lena Dürr zeigt in Schladming auf einem der schwersten Slalom-Hänge, dass sie zu den Branchenführerinnen Shiffrin und Vlhova aufgeschlossen hat - nach vielen Umwegen.

Von Johannes Knuth, Schladming/München

Etwas ist anders in diesem Winter, Kleinigkeiten, die oft Großes bewirken. Lena Dürr schleicht schon noch mehr über den Hang, als dass sie durch die Slalomtore prescht; nicht so kraftvoll wie eine Petra Vlhova, die Zweite am Dienstagabend in Schladming, womit die Slowakin vorzeitig die Slalom-Gesamtwertung gewann. Und auch nicht so technisch piekfein wie eine Mikaela Shiffrin, die in Schladming ihren 73. Weltcup-Erfolg holte, ihren 47. (!) allein im Slalom - öfter hat noch niemand in einer Disziplin bei den Alpinen gewonnen.

Lena Dürr, die mochte man auch am Dienstagabend manchmal nach vorne treiben - aber spätestens seit diesem Winter ist ja etwas anders. Es mag schleichend aussehen, aber Dürr fährt aufrechter, sie macht sich groß statt klein, so kann sie die Skikanten kürzer und kräftiger ins Eis pressen, schneller freigeben, schneller gen Ziel rauschen. Das ist schon höhere Skifahrerkunst: die steilen Hänge so aussehen zu lassen, als seien sie locker zu fahren.

73 Weltcups hat Mikaela Shiffrin nun gewonnen, allein 47 davon im Slalom (Foto: Christophe Pallot/Getty Images)

Der Slalom der Frauen am Dienstagabend in Schladming, der wegen der hohen Corona-Inzidenzen kurzfristig aus Flachau abgezogen worden war, wirkte beizeiten etwas trostlos, ganz ohne Zuschauer - man wünschte sich fast ein paar der bierseligen Gäste zurück, die in Schladming sonst zu Tausenden das Dorf verstopfen. Dafür war das Rennen umso griffiger, das Resultat umso funkelnder für den Deutschen Skiverband (DSV): Wieder hatte Lena Dürr Einlass zur Parade der besten drei erhalten, neben Shiffrin und Vlhova, den Branchenführerinnen. Drei dritte Plätze, wie in diesem Winter, hatte Dürr in ihrer Spezialdisziplin in allen Jahren zuvor nicht zusammengetragen.

Und so hängte die 30-Jährige das Geschehen auch ein wenig höher ein als sonst. Sie habe "gleich an den Papa" gedacht, Peter Dürr, der just auf der Planai das einzige Mal das Podest im Weltcup erklomm: als Dritter, 1988 in der Abfahrt. Zum anderen, sagte Dürr, jetzt mit recht tränengetränkter Stimme, "war meine Familie immer da in den letzten Jahren, egal wie schlecht es lief". Aber: Das war einmal, die schlechten Zeiten.

Vor drei Jahren verlor Dürr ihren Kaderstatus - eine Zeit, die sie sehr geprägt habe

Um ein Hoch zu begreifen, muss man oft noch mal in die Tiefen hinabklettern, bei Dürr war dies vor allem eine Phase vor knapp drei Jahren. Damals habe sie oft "so dahingewurschtelt", erinnerte sich Jürgen Graller, ihr Cheftrainer, in Schladming. Mal schlich sie sich unter die besten 15, mal nicht, der Rückstand zu den Besten war oft massiv. Dabei warteten sie im Verband seit Jahren darauf, dass Dürr in die Elite prescht, so forsch, wie sie in den ersten Jahren gefahren war; in Moskau gewann sie 2013 einen Parallel-Weltcup. Nun, nach vielen Umwegen, die Dürr schon hinter sich hatte, entschieden die Trainer, dass die Athletin einen neuen Reiz vertragen könnte; einen Reiz freilich, der mit schmerzhaften Einschnitten einherging: Dürr verlor für ein halbes Jahr ihren Kaderstatus.

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Sie habe die Entscheidung nicht so recht verstanden, hatte sie zuletzt oft erzählt - wieso sollte sie noch ein Umweg nun schneller zum Ziel führen? Heute sagen sowohl Athletin als auch Betreuer, dass die Zeit sie sehr "geprägt" habe, Graller meint das im positiven Sinne.

Lena Dürr musste sich damals eine eigene Trainingsgruppe suchen, die sie in der World Racing Academy fand, in Südtirol. Dort trainieren viele Athleten aus kleineren und manchmal auch größeren Nationen, die nicht auf die Ressourcen größerer Verbände zurückgreifen können oder wollen. Dürr musste auch ihre Skier selbst präparieren, was zuvor ein Servicemann getan hatte. Sie habe damals viel Neues gesehen, oft mit Männern trainiert, sich direkt mit ihrem Ski-Ausrüster ausgetauscht - viel Wissen, das sie einbrachte, als sie zum Saisonstart in Sölden wieder zum Team stieß, mit allen Privilegien. "Gewisse Sachen sind einfach keine Selbstverständlichkeit mehr", hat Graller, ihr Chefcoach beobachtet. Es schadete wohl auch nicht, dass mit Georg Harzl kurz darauf ein Trainer die Technik-Sparte übernahm, der unvoreingenommen zum DSV stieß - und dort auf eine Athletin traf, die noch besser wusste, was ihr guttat und was nicht.

Steilhang kann auch Spaß machen: Lena Dürr auf der schweren Planai-Piste in Schladming. (Foto: Erwin Scheriau/dpa)

Der vergangene Winter hatte schon ermutigend geendet, mit ein paar Hospitanzen unter den besten fünf. Vor der Saison stellte Dürr dann noch einmal das Konditionstraining um, um die Spritzigkeit zu stärken, und auch, um im Steilhang nicht aus der Balance zu fallen. Und wenn sie es doch tat, wie zuletzt in Zagreb und Lienz, macht sie sich nicht verrückt. "Sie war körperlich nicht fit", sagte Graller nun, aber keine Sorge: "Man darf auch krank sein, ohne dass man Corona hat." In Kranjska Gora wurde Dürr zuletzt wieder Vierte, und in Schladming, da fuhr sie den langen Steilhang (den sie bislang immer den Männern vorbehalten hatten) genauso "respektlos", wie Graller es sich gewünscht hatte, kurzer Schwung, aufrechte Haltung. "Es ist einfach cool, es macht Spaß, es ist einfaches Skifahren", sagte Dürr. Sogar auf einer tiefschwarzen Piste.

Platz drei im letzten Slalom vor den Winterspielen, Dürr wusste natürlich, was das bedeutet. Sie zierte sich zunächst, nein, nein, sagte sie, an Medaillen denke sie gerade gar nicht. Aber klar, fügte sie an, die Hauptgewinne seinen nun "zumindest mal in Reichweite". Klein werden, wenn es steil und schwer wird, das ist erst mal Vergangenheit.

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