Astrid Hamker:Lobbyistin mit exklusivem Zugang zur CDU-Spitze

Astrid Hamker: Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, beim Wirtschaftstag 2019 in Berlin mit Friedrich Merz, Wolfgang Schäuble und Roland Koch.

Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, beim Wirtschaftstag 2019 in Berlin mit Friedrich Merz, Wolfgang Schäuble und Roland Koch.

(Foto: Jörg Carstensen/picture alliance/dpa)

Die Präsidentin des Wirtschaftsrates darf qua Amt an allen Sitzungen des CDU-Bundesvorstands teilnehmen, samt Rederecht. Ein Gutachten sieht darin einen Verstoß gegen das Parteiengesetz.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es gibt in Berlin unzählige Verbände, die Einfluss auf die Parteien nehmen wollen. Aber es gibt nur einen Verband, der unmittelbaren Zugang zum Bundesvorstand der CDU hat. Astrid Hamker, die Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, darf an allen Sitzungen der Parteispitze teilnehmen. Dabei ist der "Wirtschaftsrat der CDU e. V." trotz seines Namens gar kein Teil der Partei, sondern ein unternehmerischer Berufsverband, der nach eigener Aussage Interessen der Wirtschaft gegenüber der Politik vertritt. In der Führung des Wirtschaftsrates sitzen zum Beispiel die Chefin des Verbandes der Automobilindustrie, oder die Vorstandsvorsitzenden von Deutscher Bank und Fraport.

Doch die Präsidentin des Wirtschaftsrates darf trotzdem "qua Amt" als "ständiger Gast" an allen CDU-Vorstandssitzungen teilnehmen. Und sie nutzt diese Chance. Astrid Hamker besuche fast alle Sitzungen - und zu Themen aus ihrem Bereich ergreife sie regelmäßig das Wort, heißt es in der CDU-Zentrale.

Ein Lobbyverband direkt im Parteivorstand, das sei "ein Unding", findet Christina Deckwirth, Sprecherin von Lobbycontrol, schon lange. Jetzt hat sie ein Gutachten vorgelegt, wonach Hamkers Zugang zum CDU-Vorstand nicht nur erstaunlich, sondern auch rechtlich unzulässig ist.

Das Gutachten beruft sich auch auf das CDU-Bundesparteigericht

Das Gutachten der Anwälte Roda Verheyen und André Horenburg aus der Hamburger Kanzlei Günther kommt zu dem Ergebnis: "Mangels satzungsmäßiger Grundlage verstößt der ständige Gaststatus der Präsidentin des Wirtschaftsrats mit Teilnahme- und Rederecht an den Sitzungen des Bundesvorstands der CDU sowohl gegen das Parteiengesetz als auch gegen die Satzung der CDU." In dem Gutachten wird darauf verwiesen, dass nach der Rechtsprechung des CDU-Bundesparteigerichts auch Personen mit lediglich beratender Funktion an Gremienentscheidungen mitwirken würden, "da diese auf das Abstimmungsverhalten der stimmberechtigten Mitglieder einwirken". Auch eine "nur beratende Stimme habe daher rechtliche Relevanz und könne nicht als rechtlich unbeachtlich gelten". Deshalb sei die Ernennung beratender Vorstandsmitglieder ohne satzungsmäßige Grundlage unzulässig. Weil auch ständige Gäste mit Rederecht, wie Hamker, auf das Abstimmungsverhalten der Vorstandsmitglieder einwirken können, seien sie Sitzungsteilnehmern mit beratender Stimme gleichzustellen. Es müsste also auch für den Ständigen-Gast-Status von Hamker eine satzungsmäßige Grundlage geben. Diese existiere aber nicht.

"Punktuelle Einladungen von sachverständigen Gästen zu Teilen von Vorstandssitzungen" wären zulässig, wenn es einen Bezug "zwischen konkret behandelten Sachthemen und der Sachkunde der eingeladenen Person gibt", heißt es in dem Gutachten. Ein dauerhaftes Teilnahme- und Rederecht, wie es Hamker besitze, sei aber unzulässig.

Friedrich Merz war bis vergangenen November Vizepräsident des Wirtschaftsrates

"Schon aus politischen Erwägungen verbietet es sich, einem Lobbyverband dauerhaft privilegierte Zugänge zu zentralen Parteigremien zu gewähren", sagt Christina Deckwirth von Lobbycontrol. Das Gutachten stelle nun klar, dass diese Praxis "auch rechtlich nicht zulässig ist".

Lobbycontrol fordert den designierten CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz deshalb auf, dem Wirtschaftsrat seine Sonderrechte in der Partei zu entziehen. Dass Merz der Forderung nachkommt, gilt aber als unwahrscheinlich. Er war bis vergangenen November Vizepräsident des Wirtschaftsrates.

Im Mai 2020 hatte ein Sprecher der CDU der Süddeutschen Zeitung auf Nachfrage mitgeteilt, der Wirtschaftsrat sei "noch nie Bestandteil der CDU-Strukturen" gewesen, er sei "keine Teilorganisation der CDU". Der Wirtschaftsrat sei aber seit seiner Gründung 1963 der CDU "im engen Austausch verbunden". Und es gebe "keinen Anlass, dieses Verhältnis grundsätzlich in Frage zu stellen". Zu dem jetzt vorgelegten Rechtsgutachten konnte die Partei am Mittwoch noch keine Stellung nehmen, da ihr Lobbycontrol das Gutachten nicht vorab zukommen lassen wollte.

Und wie reagiert der Wirtschaftsrat? Der sieht trotz des Gutachtens kein Problem. Ein Sprecher sagte der SZ, Astrid Hamker sei wie ihre Vorgänger an der Spitze des Verbandes bei der CDU "als Gast eingeladen, um ihren unternehmerischen und wirtschaftspolitischen Sachverstand in den über 60-köpfigen Bundesvorstand einzubringen". Sie besitze kein Stimmrecht und ergreife "in diesem Gremium nur regelmäßig in wirtschafts- und europapolitischen Debatten das Wort". Das habe "mit der Vertretung von speziellen Lobby-Interessen nichts zu tun".

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