Energiewende:München steigt aus Kohle und Atom aus

Energiewende: Block 2 des Heizkraftwerks Nord soll schon im kommenden Winter ohne Kohle arbeiten. Hier werden Strom und Fernwärme für München erzeugt.

Block 2 des Heizkraftwerks Nord soll schon im kommenden Winter ohne Kohle arbeiten. Hier werden Strom und Fernwärme für München erzeugt.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Kernkraftwerk Isar 2 wird abgeschaltet, das Heizkraftwerk Nord auf Erdgas umgerüstet - und das soll nur ein Zwischenschritt zu 100 Prozent erneuerbare Energien sein. Was das für die Kunden bedeutet.

Von Catherine Hoffmann

Die Stadtwerke München (SWM) wollen noch in diesem Jahr aus Kohle und Kernenergie aussteigen. 90 Prozent des gesamten städtischen Stromverbrauchs, also von Haushalten, Gewerbe, Industrie, öffentlichem Sektor sowie U-Bahnen, Trams und E-Bussen sollen 2022 aus erneuerbaren Energien kommen. "Das ist ein historisches Datum. Wir vollenden damit, was wir vor vielen Jahren beschlossen haben", sagte Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) auf einer Pressekonferenz der Stadtwerke. Auch SWM-Chef Florian Bieberbach zeigte sich zufrieden: "Auf das Erreichte sind wir stolz." Er sei zuversichtlich, dass 2025 ganz München mit 100 Prozent Ökostrom aus eigenen Anlagen versorgt werden könne. Auch wenn die letzten zehn Prozent noch viel Engagement erforderten.

2009 hatten Stadt und Stadtwerke beschlossen, sich von der konventionellen Stromerzeugung zu verabschieden. Damals lag der Ökostromanteil noch unter fünf Prozent. 2015 wurde dann ein Etappenziel von 35 Prozent erreicht - genug, um alle Haushalte und den öffentlichen Personennahverkehr mit Ökostrom zu versorgen. 2025 soll der Strom aus erneuerbaren Energien dann für ganz München reichen. Der Stromverbrauch wird bis dahin von 6,3 auf rund sieben Terawattstunden gestiegen sein.

Um den Energiehunger zu befriedigen, betreiben die SWM inzwischen rund 60 Ökostromanlagen in und um München, darunter Wasserkraftwerke, Photovoltaikanlagen, Wind- und Geothermiekraftwerke sowie ein Biomasse-Heizkraftwerk. Dazu kommen in Deutschland und Europa Onshore- und Offshore-Windparks, Solarparks und ein Solarthermiekraftwerk. Die Kapazitäten müssen auch in Zukunft weiter wachsen, da der Strombedarf vor allem aufgrund der E-Mobilität und des vermehrten Einsatzes von Wärmepumpen steigen wird. "Für 2035 erwarten wir einen Strombedarf von 7,7 Terawattstunden und 2050 von 8,4", sagte Bieberbach. Deshalb müssten jetzt in Bayern und im Bund die Weichen für den Bau von deutlich mehr Windrädern und Solaranlagen gestellt werden, forderte OB Reiter. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist dem SWM-Chef zufolge wirtschaftlich: "Die Kunden werden dadurch entlastet, nicht belastet."

Ein Bürgerbegehren hatte den Kohleausstieg gefordert

Nicht nur die Strom-, auch die Wärmeversorgung wird künftig klimafreundlicher. Block 2 im Heizkraftwerk Nord soll noch in diesem Jahr von Kohle auf Erdgas umgestellt werden. "Unser Ziel ist es, hier die Kohleverbrennung stoppen zu können", sagt Helge-Uve Braun, Technischer Geschäftsführer der SWM. Das sei ganz im Sinne des Bürgerbegehrens "Raus aus der Steinkohle" von 2017. Einfach abgestellt werden darf der Block 2 aber nicht, da ihn die Bundesnetzagentur als systemrelevant für die Stromversorgung einstuft. Zudem ist Braun zufolge das Heizkraftwerk Nord auch für die Fernwärmeversorgung unverzichtbar.

Am Standort in Unterföhring werden derzeit Müll und Kohle in Strom und Fernwärme umgewandelt. Künftig soll die Kohle durch Gas ersetzt werden. "Wir sind zuversichtlich, dass wir es schaffen werden, über die Sommerrevision den Block vollständig mit Gas zu fahren", sagte Braun. "Dazu führen wir schon seit geraumer Zeit Tests durch." Im kommenden Winter soll Block 2 also ohne Kohle auskommen. "Damit reduzieren sich die CO₂-Emissionen am Standort erheblich", ist Braun überzeugt. In einem nächsten Schritt solle das Gas dann durch Wasserstoff ersetzt werden. Langfristig wolle man den Standort Unterföhring ganz auf regenerative Energien umrüsten. Möglich sei neben dem Einsatz von Wasserstoff auch die Nutzung von Geothermie sowie der Betrieb von Wärmespeichern.

Auch die Ölförderung wird eingestellt

Neues gibt es auch von Spirit Energy. Das Gasförderunterunternehmen, an dem die SWM und die Bayerngas gemeinsam 31 Prozent halten, wird neu ausgerichtet. Im vergangenen Jahr wurde der Verkauf seiner norwegischen Gas- und Ölfelder und eines britischen Feldes eingeleitet, dies soll 2022 abgeschlossen werden. "De facto bedeutet dies das Ende der Ölförderung", sagte SWM-Chef Bieberbach. Auch die Erdgasproduktion der Spirit Energy werde reduziert, sie solle in den kommenden fünf bis zehn Jahren schrittweise auslaufen. Wenn möglich, will man die vorhandene Infrastruktur künftig zur Wasserstofferzeugung nutzen.

Abschied nimmt man auch von der Kernenergie. Das Atomkraftwerk Isar 2, an dem die SWM zu 25 Prozent beteiligt ist, geht Ende 2022 vom Netz. Es ist der letzte Meiler, der stillgelegt wird, seit die Bundesregierung unter dem Eindruck der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 das Aus für acht Kernkraftwerke beschlossen hat. Der Rückbau der Anlage soll im kommenden Jahr beginnen und voraussichtlich 2039 enden. Die Kosten dafür sind vollständig über Rückstellungen der SWM gedeckt.

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