Europäische Union:Deutschland und Frankreich kämpfen für Mindeststeuer

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Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire (links) begrüßt seinen deutschen Amtskollegen Christian Lindner in Brüssel. (Foto: Virginia Mayo/dpa)

Finanzminister Christian Lindner und sein französischer Amtskollege demonstrieren Einigkeit. Doch bei Europas Schuldenregeln wird die Freundschaft auf eine harte Probe gestellt.

Von Björn Finke, Brüssel

Nach seinem ersten EU-Ministertreffen in Brüssel betont Christian Lindner, wie gut er mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire zusammenarbeite: Es gebe einen "ganz engen, sehr freundschaftlichen Austausch", sagt der deutsche Bundesfinanzminister am Dienstag, als er das Ratsgebäude verlässt. Le Maire leitet die Zusammenkünfte der Finanzminister, da Frankreich im Januar die rotierende Ratspräsidentschaft übernommen hat. Doch die Freundschaft wird in den kommenden Monaten bei manchen Themen auf eine harte Probe gestellt werden - auch das ist klar nach dieser Dienstreise Lindners.

Der FDP-Parteichef nahm am Montagnachmittag am Treffen der Finanzminister der Euro-Staaten teil, am Dienstagmorgen stand dann die Runde aller EU-Finanzminister an. Die Spitzenpolitiker redeten unter anderem über die Reform des Stabilitätspakts und die Umsetzung der weltweiten Mindeststeuer für Konzerne: zwei kontroverse Projekte, und nur bei einem - der Steuer - schreitet der deutsche Liberale Lindner wirklich Seit' and Seit' mit dem französischen Liberalen Le Maire.

Im Oktober verständigten sich 137 Staaten bei der Industrieländer-Organisation OECD auf eine Jahrhundertreform der Unternehmensbesteuerung. Zum einen beschlossen die Regierungen eine Mindeststeuer von 15 Prozent auf Gewinne von großen Konzernen. Dies soll das Geschäftsmodell von Steueroasen erschweren und Staaten geschätzt 150 Milliarden Dollar zusätzliche Einnahmen bescheren. Zum anderen einigten sich die Staaten darauf, dass sehr profitable Firmen künftig auch Gewinne in jenen Ländern versteuern sollen, in denen sie zwar viel Umsatz erzielen, aber keine Niederlassung unterhalten. Dann würden zum Beispiel Facebook, Amazon und Google mehr Abgaben in Europa zahlen und weniger in der Heimat USA.

Die EU-Kommission präsentierte im Dezember einen Gesetzentwurf, um den einen Teil der Vereinbarung - die globale Mindeststeuer - in europäisches Recht zu gießen. Bei Steuerfragen müssen die EU-Finanzminister allerdings einstimmig ihr Placet erteilen. Frankreichs Regierung gibt als eines der Ziele ihrer Ratspräsidentschaft aus, diese Hürde schnell zu nehmen - auch, damit Präsident Emmanuel Macron sich als Kämpfer für Steuergerechtigkeit präsentieren kann, wenn er sich im April zur Wiederwahl stellt. Die Mindeststeuer könnte so Anfang kommenden Jahres in der EU wirksam werden.

Manche EU-Regierung bremst bei der Mindeststeuer

Doch andere europäische Regierungen, etwa aus Polen, Ungarn oder Estland, warnen vor zu viel Eile. Sie verweisen zum Beispiel darauf, dass beim zweiten Teil des globalen Abkommens - der Umverteilung von Besteuerungsrechten - bei der OECD noch über Details verhandelt wird, wohl bis Sommer. Bei der Mindeststeuer schon einmal voranzupreschen, erscheint diesen Kritikern als unklug. Zudem gibt es Zweifel daran, ob und wann US-Präsident Joe Biden diese Steuer-Vereinbarungen durch den Kongress bekommen wird. Für Skeptiker in Europa ein weiterer Grund, lieber langsam zu machen.

Frankreichs Minister Le Maire ist ungehalten: "Man kann doch nicht die OECD-Vereinbarung akzeptieren" und gleichzeitig "die EU-Richtlinie exakt gleichen Inhalts" kritisieren, sagte er am Dienstag vor Beginn des Treffens mit seinen Amtskollegen. Lindner unterstützte "Bruno", wie er ihn nennt, und sprach sich für rasche Fortschritte bei der Mindeststeuer aus, unabhängig davon, wie der Stand beim anderen Teil des OECD-Abkommens ist: "Wir sehen den politischen Zusammenhang" zwischen beiden Teilen, "einen technischen und rechtlichen Zusammenhang sehen wir allerdings nicht", sagte er.

Ein anderes Thema, das die Minister in den kommenden Monaten umtreiben wird, ist die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Die EU-Kommission hat diese Regeln für solide Haushaltsführung wegen der Pandemie außer Kraft gesetzt. Zum Jahreswechsel sollen die Vorschriften jedoch wieder wirksam werden. Prognosen zufolge werden aber 2023 nur zwölf von 19 Euro-Staaten die Obergrenze für das Haushaltsdefizit von drei Prozent der Wirtschaftsleistung einhalten. Und bei lediglich sieben Ländern soll der Schuldenstand unter der Zielmarke von 60 Prozent liegen.

Die EU-Kommission will bis Sommer Reformvorschläge präsentieren. Frankreichs Regierung gehört zu den Vorkämpfern der Idee, dass die Brüsseler Behörde künftig staatliche Investitionen in Klimaschutz oder Digitalisierung nachsichtiger behandeln sollte, wenn sie die jährlichen Defizite berechnet. Lindner äußerte sich skeptisch zu diesem Konzept und betonte die Wichtigkeit des Schuldenabbaus. Er sagte aber, er habe gegenüber seinen Amtskollegen "unterstrichen, dass die Bundesregierung offen für eine sinnvolle Weiterentwicklung" des Pakts sei. Unter den EU-Ministern gebe es hier "unterschiedliche Perspektiven und Positionen", ergänzte der FDP-Politiker.

Seine Partei hatte im Wahlprogramm vor einem Aufweichen des Regelwerks gewarnt, was bei manchen EU-Partnern die Sorge geweckt hat, Lindner könne den kompromisslosen Sparkommissar spielen. Auf die Journalistenfrage, ob er ein furchteinflößender Falke sei, antwortete Lindner jedoch, er sei kein furchteinflößender, sondern ein "freundlicher Falke".

Lindner und Le Maire waren zudem erkennbar bemüht, Differenzen zwischen ihnen herunterzuspielen. Der Franzose nannte es gar "eine moderne Sage", dass Meinungsverschiedenheiten existierten. Er teile mit dem Deutschen den Wunsch, eine neue Balance für den Pakt zu finden, sagte er: eine neue Balance zwischen der Notwendigkeit von staatlichen Investitionen und der Notwendigkeit, Schuldenberge abzutragen.

Bleibt dann nur die Frage, wie diese Balance genau aussehen wird.

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