Film "Die Wannseekonferenz - Die Dokumentation":Verabredung zum Massenmord

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Margot Friedländer besucht das Haus am Großen Wannsee, in dem 1942 Nationalsozialisten über die Vernichtung der Juden, also auch ihre Ermordung, verhandelt haben. (Foto: Isa Rekkab/ZDF)

Was geschah auf der Wannseekonferenz? Eine ZDF-Doku erzählt pointiert und lässt Zeitzeugen des Holocaust zu Wort kommen.

Von Stefan Fischer

Margot Friedländer ist vor wenigen Wochen hundert Jahre alt geworden. Aber diesen Besuch hat sie sich unbedingt zumuten wollen. Um jenen Ort aufzusuchen, an dem 15 Männer beschlossen haben, sie umzubringen. Dieser mörderische Plan ist nicht aufgegangen, nicht in ihrem Fall. Und der Mann, der ihn angezettelt hatte, war selbst keine fünf Monate später tot: Der Kriegsverbrecher Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes und stellvertretender Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, der zur Wannseekonferenz am 20. Januar 1942 eingeladen hatte, wurde bald darauf von tschechoslowakischen Widerstandskämpfern getötet.

Margot Friedländer hat allerdings gegen jede Wahrscheinlichkeit überlebt. Denn bei der Konferenz wurde die sogenannte "Endlösung der Judenfrage" geregelt - also die systematische Ermordung der europäischen Juden. Gemäß einer Auflistung, die den Konferenzteilnehmern ausgehändigt wurde, zielte der Mordplan in Summe auf elf Millionen Menschen. Bei sechs Millionen von ihnen ging der Horror auf.

Matti Geschonneck macht in seinem Spielfilm Die Wannseekonferenz diese Besprechung unmittelbar erlebbar. Eine Rekonstruktion der Realität mit den Mitteln der Fiktion. Jörg Müllners 45-minütiger Dokumentarfilm Die Wannseekonferenz - Die Dokumentation fügt dem eine kluge Einordnung bei. Er wird umrahmt von dem Auftritt Margot Friedländers, die eingangs ihre Erschütterung darüber ausdrückt, dass sich 15 Männer an einen Tisch setzen, um zu beratschlagen, wie sie die Ermordung von Millionen Menschen organisieren und danach zu Lachshäppchen und Cognac greifen.

Margot Friedländer fordert eine neue Zeitzeugenschaft

Am Ende der Dokumentation appelliert Friedländer vehement: Da es kaum noch Zeitzeugen gebe, müssten die Nachgeborenen zu Zeitzeugen werden. Man ist als Zuschauer erst einmal irritiert, denn wie soll das funktionieren? Begreift dann aber, dass ihr zuzuhören und sich auseinanderzusetzen mit dem, was da vor achtzig Jahren Ungeheuerliches verhandelt worden ist, auch wieder eine Form von Zeitzeugenschaft ist - jener Generationen, die sich noch aus erster Hand informieren und dieses Wissen weitertragen können.

Vier Linien verfolgt Jörg Müllner, geschickt miteinander verwoben, sodass der Film darüber seine Klarheit nicht verliert. Und in denen er sich auf die pointierten Einordnungen von mehr als einem halben Dutzend Historikern bezieht, darunter Götz Aly, Robert Gerwarth und Barbara Schieb. In der chronologischen Linie geht es um die stetige Eskalation der Verfolgung der Juden. In der strategischen darum, wie die komplette Reichsverwaltung in den Holocaust eingebunden worden ist. In einer exemplarischen Linie schildert er an der Familie Chotzen das Schicksal jüdischer Deutscher und in einer biografischen, wer die 15 Teilnehmer der Wannseekonferenz waren - wofür sie standen, welchen Typ Täter sie repräsentieren. Hier schließt sich dann wieder der Kreis zum Spielfilm.

Die Wannseekonferenz - Die Dokumentation , ZDF-Mediathek sowie ZDF, 24. Januar 2022, 22 Uhr.

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