Reaktion auf Meuthens Austritt:"Mehr und mehr Schaden angerichtet"

Reaktion auf Meuthens Austritt: Jörg Meuthen tritt von der AfD-Spitze ab und verlässt die Partei.

Jörg Meuthen tritt von der AfD-Spitze ab und verlässt die Partei.

(Foto: John MacDougall/AFP)

Meuthens Austritt sei "kein großer Verlust für die AfD", kritisiert der Landesverband Sachsen, dem auch der Parteivorsitzende Chrupalla angehört. Meuthen sagt: "Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts."

Von Philipp Saul

Nach der Ankündigung des AfD-Chefs Jörg Meuthen, sein Amt niederzulegen und die Partei zu verlassen, gibt es deutliche innerparteiliche Kritik. Der Landesverband Sachsen, dem auch Meuthens bisheriger Co-Parteichef Tino Chrupalla angehört, griff den scheidenden Vorsitzenden scharf an: Meuthen habe sich in letzter Zeit zunehmend mit Alleingängen isoliert, sein Austritt sei "kein großer Verlust für die AfD". Mit seiner öffentlichen Kritik an Parteikollegen habe Meuthen "mehr und mehr Schaden angerichtet", teilte der Landesverband mit.

Auch der für AfD-Verhältnisse als gemäßigt geltende Landesverband Hamburg übte Kritik an Meuthen. Diesem habe es zuletzt "am politischen Kampfeswillen und strategischen Geschick" gefehlt, teilte Landeschef Dirk Nockemann mit. Sein Stellvertreter Krzysztof Walczak nannte Meuthens Rücktritt einen "traurige Höhepunkt eines destruktiven Ego-Trips". Der AfD-Bundesvorstand reagierte lediglich mit wenigen Zeilen: Man nehme Meuthens Austritt mit Bedauern zur Kenntnis und bedanke sich für den Einsatz in den vergangenen Jahren.

Der langjährige AfD-Vorsitzende hatte zuvor mitgeteilt, mit sofortiger Wirkung aus der Partei auszutreten. Nach ARD-Informationen sprach Meuthen von einer Niederlage im Machtkampf mit dem rechtsextremen "Flügel" um die Ausrichtung der Partei. Der Flügel ist formal eigentlich aufgelöst. Meuthen sagte demnach: "Das Herz der Partei schlägt heute sehr weit rechts und es schlägt eigentlich permanent hoch."

Meuthen: Kurs der AfD führt ins völlige politische Abseits

Meuthen, der seit Sommer 2015 im Amt war, hatte bereits vor Monaten angekündigt, nicht wieder für den Parteivorsitz zu kandidieren. Zu seinem Austritt sagte er nun der ARD zufolge: Als Parteichef sei er mit seinem Einsatz für einen anderen Weg gescheitert. Teile der AfD stünden "nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung" und er sehe "ganz klar totalitäre Anklänge". In der Corona-Politik habe die AfD etwas Sektenartiges entwickelt. Er sehe für sie eine Zukunft allenfalls noch als ostdeutsche Regionalpartei.

Meuthen teilte mit, große Teile der Partei hätten sich für einen "immer radikaleren, nicht nur sprachlich enthemmteren Kurs, für politische Positionen und verbale Entgleisungen entschieden, die die Partei in vollständige Isolation und immer weiter an den politischen Rand treiben". Er wolle "diesen in das völlige politische Abseits führenden Kurs aus Selbstachtung und Verantwortungsbewusstsein nicht weiter mittragen".

Die Konflikte innerhalb der AfD hatten sich in den Monaten zuvor deutlich verschärft. Meuthen war bemüht gewesen, sich vom rechten Flügel der Partei abzugrenzen und die AfD perspektivisch regierungsfähig zu machen. Als entsprechend schlecht galt Meuthens Verhältnis zu den Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla, der mit Meuthen zusammen an der Parteispitze stand. Weidel und Chrupalla werden von den Rechten in der AfD unterstützt. Nachdem die AfD bei der Bundestagswahl ein schwächeres Ergebnis als vor vier Jahren erreicht hatte, traten die Differenzen in der Parteiführung offen zutage.

Meuthen: Gespräche über politische Zukunft laufen bereits

Auch vor wenigen Tagen gab es einen offenen Konflikt in der Parteiführung, als Chrupalla CDU-Mitglied Max Otte, Vorsitzender der Werteunion, zum AfD-Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl machen wollte. Das Meuthen-Lager lief Sturm. Otte wurde als "toxische Personalie" beschrieben, die die Partei noch weiter spalten könnte. Meuthen, der mit Otte auch persönlich über Kreuz liegt, warnte intern offenbar vor einem "Rohrkrepierer zum Schaden der Partei".

Dem EU-Parlamentarier droht derzeit zudem der Verlust seiner Immunität. Ein Ausschuss des Europäischen Parlaments hatte vor Kurzem den Weg freigemacht für strafrechtliche Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft. Das Plenum muss die Entscheidung noch bestätigen. Es geht dabei um eine fragwürdige Wahlkampfhilfe einer Schweizer PR-Firma. Meuthen hatte gesagt, er gehe davon aus, dass die Ermittlungen ihn entlasten.

Sein Mandat als Abgeordneter im Europaparlament will Meuthen behalten. Er wolle sich auch in Zukunft politisch betätigen, sagte er nach ARD-Informationen, es gebe bereits Gespräche. Genaueres werde sich in Kürze klären. Meuthen teilte mit, der Austritt sei für ihn "keineswegs nur ein Abschied, sondern vor allem ein Aufbruch".

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