Nachruf:Oscar-Preisträger Rolf Zehetbauer ist gestorben

Lesezeit: 2 min

Rolf Zehetbauer lebte in Harlaching, in der Nähe seiner Kulisse von "Das Boot", in der er 2003 auf dem Bavaria-Filmgelände stieg. (Foto: Stephan Rumpf)

Der Münchner Filmarchitekt wurde 92 Jahre alt. Er schuf großartige und größenwahnsinnige Sets, etwa für "Das Boot", "Die unendliche Geschichte" und "Cabaret".

Von Josef Grübl

Architekten bauen für die Ewigkeit, zumindest glauben sie das. Filmarchitekten sind da realistischer, sie arbeiten für die Vergänglichkeit: Ihre Konstruktionen dienen dem Augenblick, nach Drehende werden sie abgebaut, abgewrackt oder zerstört. Rolf Zehetbauer wusste das natürlich, trotzdem entschied er sich für den Beruf des Filmarchitekten. Er errichtete die großartigsten und größenwahnsinnigsten Sets; nur um sie kurze Zeit später wieder zu zerlegen, fast wie ein mit Bausteinen spielendes Kind. Vermutlich braucht man auch kindliche Neugier und ausschweifende Fantasie, wenn man sich regelmäßig in neue Welten und Epochen begibt, in luftige Höhen aufsteigt oder nasse Tiefen abtaucht.

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Er schuf Phantasien und die Raumpatrouille Orion

Wie sonst hätte er das Märchenreich Phantásien aus "Die unendliche Geschichte" erschaffen können oder die mit Bügeleisen und Bleistiftspitzern bestückte Kommandozentrale in "Raumpatrouille Orion"? Die surreale Hafenlandschaft in Fassbinders "Querelle" oder die Dreißigerjahre-Welt der "Comedian Harmonists"?

Für die Ausstattung der "Raumpatrouille Orion" bediente sich Rolf Zehetbauer gerne mal im Baumarkt. So waren die Mikrofone auf dem Raumschiff tatsächlich Badewanneneinläufe. Hier eine Filmszene mit Ursular Lillig, Claus Holm, Dietmar Schönherr und Wolfgang Volz (Foto: imago images/Mary Evans)

Rolf Zehetbauer kam 1929 in München zur Welt, nach dem Zweiten Weltkrieg studierte er Kunst und arbeitete als Ausstattungsassistent bei der Bavaria Film. Bald stieg er zum Szenenbildner auf, arbeitete an Filmen wie "Scampolo" mit Romy Schneider oder "Nachts, wenn der Teufel kam" mit Mario Adorf. 1963 wurde er der Chefbühnenbildner des Studios. Dort entstanden in den Folgejahren auch internationale Produktionen wie "The Last Escape", "Die Akte Odessa" oder "Das Schlangenei" von Ingmar Bergman.

"I try it in English" sagte er bei der Oscar-Verleihung

Sein berühmtester Film sollte aber ein Film-Musical werden, das die politische Entwicklung im Deutschland der Dreißigerjahre mit der künstlichen Welt eines Nummernkabaretts verknüpfte: "Cabaret" mit Liza Minelli in der Hauptrolle wurde ein Welthit und mit acht Oscars ausgezeichnet. In der Kategorie "Art Direction" gewann Rolf Zehetbauer, gemeinsam mit seinen Kollegen Hans Jürgen Kiebach und Herbert Strabel. Zehetbauer war es auch, der im März 1973 in Los Angeles den Oscar in Empfang nahm. "I try it in English", sagte er mit bairischem Akzent und verwies darauf, dass diese Leistung ohne den Regisseur Bob Fosse gar nicht möglich gewesen sei.

Teamwork war ihm wichtig, große Auftritte überließ er anderen. Dafür war er auch zu beschäftigt, eine Filmdatenbank weist für ihn 150 Produktionen aus. Im September 1981 feierte Wolfgang Petersens Kriegsfilm "Das Boot" Premiere, Rolf Zehetbauer baute dafür mehrere U-Boot-Modelle, gedreht wurde im Studio in Geiselgasteig sowie in der französischen Hafenstadt La Rochelle. Der Film lief weltweit in den Kinos und wurde für sechs Oscars nominiert.

Filmhandwerker behaupten oft, dass es das größte Kompliment sei, wenn ihre Arbeit nicht weiter auffalle, wenn die Kostüme, Frisuren, Requisiten oder Bauten so stimmig seien, dass sie ein großes Ganzes ergeben. Im Fall von "Das Boot" klappte das nicht ganz: Ein Originalmodell aus dem Film ist seit Jahrzehnten eine Attraktion in der Bavaria Filmstadt, Generationen von Schülern zwängten sich durch die enge U-Boot-Röhre.

In den Neunzigerjahren plante er die Ausstellungsräume des Deutschen Museums Bonn, 2004 gestaltete er das Hacker-Zelt auf dem Oktoberfest neu, seitdem trinken die Besucher ihr Bier im "Himmel der Bayern". Am 23. Januar starb Rolf Zehetbauer im Alter von 92 Jahren, seine Familie dankte ihm in einer Traueranzeige "für die außergewöhnliche gemeinsame Zeit". Einige seiner Filme haben schon so manchen Architektentempel überlebt, sie scheinen also doch für die Ewigkeit gemacht.

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