Theater:Atemberaubend schwer

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Schwerstarbeit in Schutzkleidung: das Personal auf den Intensivstationen steht täglich vor Herausforderungen. (Foto: Anton Baier)

Eine szenische Lesung über das Leben und Sterben auf der Intensivstation in den Münchner Kammerspielen

Von Fiona Rachel Fischer, München

Über den Tod zu sprechen, ist schwer. Mit den überfüllten Intensivstationen ist das Sterben in der Pandemie jedoch ein präsentes Thema geworden. Die szenische Lesung "Atemprotokolle" nimmt diese Problematik auf und bringt die Erfahrungen mit dem Sterben auf den Covid-geplagten Intensivstationen auf die Bühne. Es gäbe zwar auch warme und humorvolle Momente an diesem Theaterabend, sagt die Autorin Miriam Tscholl, aber grundsätzlich gehe es um einen schonungslosen Blick auf die Situation.

Das Projekt ist eine Kooperation zwischen den Münchner Kammerspielen, der Schauburg sowie dem Staatstheater Nürnberg und wird am Mittwoch, 2. Februar, in den Kammerspielen uraufgeführt. Laut Tscholl ist es recht kurzfristig zustande gekommen. Seit November hat sie 25 Interviews im Klinikum Nürnberg Nord mit Betroffenen geführt. Sieben Figuren berichten bei ihr anonymisiert über die Erlebnisse von Patienten, von Angehörigen Verstorbener und des Klinikpersonals. Erzählt wird das in mehreren Kapiteln.

Autorin Miriam Tscholl führte im Klinikum Nürnberg Nord Interviews mit Betroffenen. (Foto: Michael Kleinhenn)

Nach zwei Jahren ermüdender Berichterstattung findet Tscholl, sei jetzt genau der richtige Zeitpunkt, um solche Geschichten zu teilen. Gerade um der einsetzenden Gleichgültigkeit und Ungeduld entgegenzuwirken. "Zuhören, wie es anderen geht, ist jetzt vielleicht wichtiger, als selbst immer darüber nachzudenken, wie geht es mir gerade", sagt sie. Das Bedürfnis der Betroffenen, von ihren Erlebnissen zu erzählen und das Verständnis Nichtbetroffener einzufordern, sei außerdem stark.

Die emotionale Zerrissenheit der Pflegekräfte

Das Klinikum Nürnberg Nord, das mit einer hochspezialisierten Covid-Station viele solcher Erfahrungen zu teilen hat, zeigt sich dankbar über die Zusammenarbeit mit dem Theater: "Hinter dem medizinischen Geschehen stehen menschliche Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden", sagt Oberarzt Dr. Arnim Geise. Damit sind zum einen die Angehörigen gemeint, die durch Quarantäne oder Besuchsverbot ihre Liebsten beim Sterben kaum begleiten konnten und so auf den Verlust schlecht vorbereitet sind. Zum anderen kommt in der Lesung auch das Klinikpersonal selbst zu Wort. Denn nach zwei Jahren aufopfernder Arbeit ist dieses emotional zerrissen zwischen dem dringenden Wunsch zu helfen, der Erschöpfung und dem Frust über die Ungeimpften, die in der Nürnberger Klinik 90 Prozent der Intensivpatienten ausmachen.

Über Emotionen und Erfahrungen zu sprechen, hat auch einen therapeutischen Effekt. Vielleicht ist also ein Dialog zwischen der Welt in den Krankenhäusern und der Außenwelt, den "Atemprotokolle" anstoßen möchte, genau das, was unsere Gesellschaft gerade braucht.

"Atemprotokolle - über das Leben und Sterben mit Covid auf der Intensivstation", Mi., 2. Februar, 19.30 Uhr, Münchener Kammerspiele, Maximilianstraße 26, Tickets unter https://www.muenchner-kammerspiele.de .

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