Katholische Kirche:Scholz schaltet sich in Missbrauchsdebatte ein

Katholische Kirche: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordert die Aufklärung des kirchlichen Missbrauchs.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) fordert die Aufklärung des kirchlichen Missbrauchs.

(Foto: Getty Images)

Zehn Tage nach Veröffentlichung des Gutachtens für das Erzbistum München zeigt sich der Kanzler "sehr erschüttert". Die Aufklärung will er nicht allein der Kirche überlassen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, und Annette Zoch

Mit zeitlicher Verzögerung hat sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in die Debatte um Missbrauch in der katholischen Kirche eingeschaltet. "Der Bundeskanzler ist natürlich, wie viele andere auch, sehr erschüttert von den Erkenntnissen, die dort abermals zutage getreten sind", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Scholz dringe "auf eine klare Aufklärung der Vorwürfe", die auch politisch begleitet werden solle. "Es ist Konsens in der Bundesregierung, dass die Aufarbeitung von Fällen strukturierten Kindesmissbrauchs nicht Institutionen allein überlassen werden darf", sagte der Regierungssprecher.

Scholz ist der erste deutsche Spitzenpolitiker, der sich zum jüngsten Missbrauchsgutachten zur katholischen Kirche äußert. Vor rund zehn Tagen hatte eine Münchner Anwaltskanzlei ein Gutachten für das Erzbistum München und Freising vorgelegt. Vor allem relativierende Aussagen des früheren Münchner Erzbischofs und heute emeritierten Papstes Benedikt XVI. zu sexuellem Missbrauch und die Tatsache, dass er eine entscheidende Angabe in den Antworten an die Gutachter nachträglich korrigieren musste, lösten große Erschütterung aus.

Bisher hatte die Ampelkoalition es weitgehend vermieden, zu den Vergehen an Minderjährigen und Schutzbefohlenen in der katholischen Kirche Stellung zu beziehen. Die Koalitionsspitzen hatten geschwiegen.

Am Montag verlautete nun, die Bundesregierung habe sich vorgenommen, "die Aufarbeitung strukturierter sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen in gesellschaftlichen Gruppen, wie Sportvereinen, Kirchen und der Jugendarbeit zu begleiten, aktiv zu fördern und wenn erforderlich gesetzliche Grundlagen zu schaffen". Konkret sei vorgesehen, das Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) gesetzlich zu regeln und eine regelmäßige Berichtspflicht an den Deutschen Bundestag einzuführen. Im Moment hat noch Johannes-Wilhelm Rörig das Amt des UBSKM inne, er hatte angekündigt, das Amt nach dem Regierungswechsel niederzulegen. Bislang ist aber unklar, wer ihm nachfolgt.

Rufe nach einer Wahrheitskommission

Die Politik müsse "höchstes Interesse" an einem Gelingen des Aufarbeitungsprozesses haben, sagt Rörig. Neben dem UBSKM gibt es außerdem die unabhängige Aufarbeitungskommission, die auf Grundlage eines Bundestags-Beschlusses arbeitet und deren Laufzeit eigentlich Ende 2023 enden soll. Im Koalitionsvertrag hat sich die Ampel dazu verpflichtet, die Aufarbeitungskommission in ihrer jetzigen Form weiterzuführen. Bislang arbeiten die Mitglieder der Kommission ehrenamtlich, der Vorsitz ist im Moment vakant.

Katholische Kirche: Olaf Scholz als Erster Bürgermeister Hamburgs 2015 bei der Feier der Bischofsweihe von Stefan Heße als Hamburger Erzbischof. Heße wurde im Zuge des Kölner Missbrauchsgutachtens Pflichtverletzungen vorgeworfen.

Olaf Scholz als Erster Bürgermeister Hamburgs 2015 bei der Feier der Bischofsweihe von Stefan Heße als Hamburger Erzbischof. Heße wurde im Zuge des Kölner Missbrauchsgutachtens Pflichtverletzungen vorgeworfen.

(Foto: Breuel-Bild)

Ob Scholz dem Bundestag empfehlen werde, eine unabhängige Wahrheitskommission einzusetzen, blieb am Montag offen. Zuletzt hatten sich immer mehr katholische Bischöfe aufgeschlossen für eine solche Kommission gezeigt, zum Beispiel der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, der Würzburger Bischof Franz Jung oder Regensburgs Bischof Rudolf Voderholzer. Betroffene fordern schon seit Langem eine unabhängige Aufarbeitung durch den Staat.

Eine Verschärfung des Sexualstrafrechts sei derzeit nicht geplant, sagte ein Sprecher von Justizminister Marco Buschmann (FDP). Es sei zuletzt in der vergangenen Legislaturperiode verschärft worden, was Strafen, Verjährung und Einstufung betreffe. Viele der Taten aus Missbrauchsgutachten der Bistümer können deshalb nicht mehr straf- und nur noch kirchenrechtlich verfolgt werden, weil sie verjährt sind.

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