Facebook-Währung Diem:Das gescheiterte Geld

Facebook-Währung Diem: Illustration: Bernd Schifferdecker

Illustration: Bernd Schifferdecker

Facebook begräbt seine Pläne für eine eigene Währung. Dabei könnte klug gemachtes Digitalgeld vielen Menschen helfen.

Von Jannis Brühl

Mark Zuckerberg besitzt zwar viel Geld, aber sein eigenes erschaffen wird er nun doch nicht. Der Milliardär und sein Facebook-Konzern - heute bekannt als Meta - beerdigten diese Woche das Projekt Diem, das wiederum früher als Libra bekannt war. All die Namensänderungen können eins nicht verschleiern: Es wird kein Zuckerberg-Geld geben.

Zunächst einmal ist es gut, dass der Versuch, privates Digitalgeld in Konkurrenz zu staatlichen Währungen zu etablieren, einen Dämpfer erhalten hat. Zu groß war die Gefahr, dass sich ein Konzern, der schon große Teile der sozialen Medien, der Online-Werbung und der Forschung an künstlicher Intelligenz beherrscht sowie Daten über Milliarden Menschen sammelt, auch noch ein Parallelgeldsystem für seine Interessen erschafft. Doch die Zentralbanken müssen ebenfalls ihre Lehren aus dem Fall ziehen.

Diem - was war das noch mal? Seit 2019 arbeitete Facebook mit anderen Unternehmen an digitalem Geld, einem "Stablecoin". Dieses kann von Handy zu Handy verschoben werden wie Bargeld von Hand zu Hand - nur eben weltweit und per Klick. Stablecoins sollen stabil sein, gedeckt durch echte Dollar oder Euro. Das unterscheidet sie von heftig schwankenden Kryptowährungen wie Bitcoin, die auf Computern von Nutzern aufwendig erzeugt werden müssen und mit denen Anleger spekulieren. Nun ist das ambitionierteste Stablecoin-Projekt gescheitert. Ein klares "So nicht!" der Aufseher bewog Facebooks Konsortium, Diem an einen Investor zu verramschen.

In ihrer Auseinandersetzung mit den Gegnern staatlicher Institutionen, die Regierungen und Zentralbanken das Währungsmonopol entreißen wollen, haben die Staaten einen Sieg errungen. Insbesondere Entwicklungsländer mussten fürchten, dass Diem dank Facebooks großen Netzwerks ihre nationalen Währungen auf den zweiten Platz verweist. Schließlich trauen manche Bevölkerungen ihrem eigenen Geld nicht so recht. Um solchen privatwirtschaftlichen Infiltrationen zuvorzukommen, basteln Zentralbanken an Digitalversionen ihrer Währungen wie dem digitalen Euro. Die Debatte über Ängste vor dem Ende des Bargelds und totaler Überwachung des Konsums steht noch an.

Es muss dringend über innovative Zahlungsmethoden nachgedacht werden

Die Sorgen der Zentralbanken waren verständlich. Neben Facebook war lange Zeit mit Visa, Paypal und American Express geballte ökonomische Macht im Spiel. Meta hätte Diem-Transfers für Milliarden Facebook- und Whatsapp-Nutzer freischalten können - und ebenso wieder abschalten. Den Bürgern verpflichtet sind die Konzerne ja nicht. Facebook braucht dringend neue Geschäftsfelder. Am Mittwoch zeigten die Quartalszahlen, dass die Nutzerzahl erstmals zurückging.

Man sollte sich aber nichts vormachen: Dass Facebook überhaupt ein Projekt dieser Größenordnung anging, zeigt die Schwächen des derzeitigen Systems. Erstens haben die Europäische Zentralbank (EZB) und die amerikanische Fed den Traum von nicht-staatlichen Geldalternativen mit befeuert. So überschritt etwa die EZB ihr Mandat mit Stützungskäufen von Staatsanleihen, um Länder wie Italien zu stabilisieren. Die Zentralbanken machen Politik, das weckt Zweifel an ihrer Unabhängigkeit. In diese Vertrauenslücke stoßen Unternehmen und Fans von Kryptowährungen. Die träumen immerhin von Digitalwährungen, die weder unter dem Einfluss der Politik noch dem mächtiger Konzerne stehen.

Zudem hat das Geldsystem vielen armen Menschen nichts anzubieten. Zwar war Zuckerbergs Behauptung, er wolle mit Diem nur den Menschen ohne Bankkonto helfen, Silicon-Valley-Propaganda vom Feinsten. Aber selbst wenn sein Motiv darin bestand, sich im globalen Zahlungsmarkt zu positionieren: In vielen Ländern ist es wahrscheinlicher, dass jemand ein Handy hat als ein Bankkonto. Kreditkartenfirmen formen ein Oligopol und verlangen hohe Gebühren. In noch größerem Maße gilt das für Dienste wie Western Union, auf die vor allem Migranten angewiesen sind, um Geld in die Heimat zu senden. Für Länder wie Mexiko oder die Philippinen sind diese Transfers essenziell. Doch wie teuer und umständlich internationale Überweisungen sind, können sich Menschen ohne Verwandte in ärmeren Ländern kaum vorstellen.

Es fehlt ein weltweites digitales System, mit dem sich Menschen nahtlos Geld schicken können. Deshalb könnten Diem-artige Stablecoins durchaus staatliches Geld ergänzen. Facebooks Scheitern dürfte andere Konzerne vorerst abschrecken, die Zentralbanken herauszufordern. Dennoch muss über innovative Zahlungsmethoden dringend nachgedacht werden. Sie dürfen nur nicht von Monopolisten beherrscht werden. Dafür steht das Geld zu vieler Menschen auf dem Spiel.

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