Altersdiskriminierung:"Dinobabys": IBM wollte ältere Beschäftigte aus dem Job drängen

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Ein älteres Modell: der erste IBM-PC von 1981, ausgestellt im Humboldt-Forum Berlin. IBM wurde 1911 in den USA gegründet und ist damit selbst ein Dinosaurier der IT-Branche. (Foto: STEFAN ZEITZ via www.imago-images.de/imago images/Stefan Zeitz)

In den USA klagen Hunderte Ex-Mitarbeiter gegen den IT-Konzern wegen Altersdiskriminierung. E-Mails zeigen, dass Manager abfällig über vermeintlich altmodisches Personal sprachen.

Von Katharina Kutsche

Eine "Einladung, zu gehen" ist nie etwas Gutes, nicht mal auf der langweiligsten Party und schon gar nicht in der Arbeitswelt. So überrascht es nicht, dass eine Auswahl von E-Mails vor einem amerikanischen Gericht als Beweis für Altersdiskriminierung herangezogen werden, in denen genau solche Einladungen ausgesprochen wurden.

In den USA klagen derzeit etliche ehemalige Mitarbeiter des IT-Konzerns IBM gegen ihren früheren Arbeitgeber. Ihr Vorwurf: IBM soll über Jahre ältere Mitarbeiter aus ihrem Job gedrängt haben, um sie durch jüngere zu ersetzen. Die E-Mails sollen beweisen, dass selbst das Top-Management diese Strategie unterstützte. Am vergangenen Freitag gestattete ein Bundesbezirksgericht in New York den Klägern, die E-Mails offenzulegen. Darüber berichtete die New York Times .

In einer Mail etwa bezeichnet ein Top-Manager ältere Menschen als "Dinobabys" - eine neue Spezies, die man "einladen sollte, zu gehen", um sie zu einer "ausgestorbenen Spezies" zu machen und den Wandel zu beschleunigen. In einer weiteren Mail werden ältere Frauen "altmodisches mütterliches Personal" genannt: "keine Digital Natives. Eine echte Bedrohung für uns". Passend dazu gab es eine Regelung, nach der junge Fachkräfte bei IBM innerhalb des ersten Jahres bei Massenentlassungen stets außen vor blieben.

"Bedarf an bestimmten Fähigkeiten"

"Die Unterlagen zeigen, dass IBM-Top-Manager einen Plan ausheckten, ältere Mitarbeiter aus ihrer Belegschaft zu verdrängen, um Platz für Millennials zu machen", sagt Shannon Liss-Riordan der New York Times. Die Anwältin vertritt mehrere Hundert ehemalige IBM-Beschäftigte und strebt eine Sammelklage nach amerikanischem Recht an. Ihre Vorwürfe werden von der US-Bundesbehörde für berufliche Gleichstellung gestützt.

Ein Sprecher des IT-Konzerns erklärte, IBM habe nie systematische Altersdiskriminierung begangen. Man habe sich von Mitarbeitern getrennt wegen "Veränderungen in den geschäftlichen Bedingungen und dem Bedarf an bestimmten Fähigkeiten, nicht wegen ihres Alters".Zwischen 2010 und 2020 habe das Unternehmen in den USA mehr als 10 000 Menschen eingestellt, die mehr als 50 Jahre alt waren. In welchem Verhältnis diese Zahl zur gesamten Belegschaft steht, erklärte der Sprecher nicht. Im Mittel seien die Beschäftigten von IBM in den USA 48 Jahre alt.

Unklar ist, wie alt die "älteren Mitarbeiter" im Sinne der Klage sind. Die Zielgruppe der IBM-Personalgewinnung scheint sich auf Millennials zu beschränken: Darunter werden Menschen gefasst, die zwischen den frühen 1980er- und den späten 1990er-Jahren geboren wurden. Sie gelten als erste Generation, die im Internet-Zeitalter aufwuchs, und werden deshalb als "Digital Natives" bezeichnet, als digitale Einheimische.

Umzug statt Kündigung

Diese jungen Digitalen sind auch in Deutschland begehrte Arbeitskräfte. Allerdings ist der Wettbewerb in den USA noch stärker von dem Silicon-Valley-Bild der jungen Gründer und Mitarbeiter geprägt. In Deutschland dagegen sind Beschäftigte arbeitsrechtlich oft besser geschützt und die IT-Branche vom Fachkräftemangel gebeutelt. "Wir brauchen alle, die qualifiziert sind und bei der Digitalisierung der Wirtschaft, der Verwaltung und des Alltags mithelfen können", sagt Adél Holdampf-Wendel, Expertin für Arbeitsrecht beim Digitalverband Bitkom. 96 000 offene Stellen zählte der Verband für 2021. Wie alt die Beschäftigten sind, die bereits Stellen haben, hat er nicht berechnet.

Der Fall IBM irritiert im Vergleich zu Deutschland aber nicht nur wegen der abwertenden Sicht auf ältere Mitarbeiter. Er wirft auch die Frage auf, ob der Konzern überhaupt in sein Personal investiert. "Unternehmen können es selbst in die Hand nehmen und Beschäftigte über interne Fortbildung qualifizieren. Schließlich veraltet IT-Wissen sehr schnell", sagt Holdampf-Wendel. Stattdessen mühte sich IBM, die Älteren abzuschieben. Ihnen wurde als Alternative zur Kündigung angeboten, auf eine Stelle in einem anderen Ort zu wechseln - wohlwissend, dass die große Mehrheit einen Umzug ablehnen würde.

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