Nachruf auf Rocksänger Mark Lanegan:Kaputter Zauber

Nachruf auf Rocksänger Mark Lanegan: Beladene Balladen: Mark Lanegan bei einem Auftritt 2017 in Oslo.

Beladene Balladen: Mark Lanegan bei einem Auftritt 2017 in Oslo.

(Foto: Gonzales Photo/Imago Images/Gonzales Photo)

Zum Tod des amerikanischen Rocksängers und Grunge-Pioniers Mark Lanegan.

Von Jens-Christian Rabe

Es geht ein ganz eigener, kaputter Zauber aus von einer rauhen, tiefen Stimme im Rock. Insbesondere, wenn sie nicht laut und viril erscheinen will, sondern leise und zart. Dann erzählt sie in den besten Momenten vom beschädigten (männlichen) Leben allein durch ihren Sound mehr als sehr, sehr viele wohlüberlegte Worte. So eine Stimme hatte Mark Lanegan, der in den Achtzigern als Grunge-Pionier und Kopf der Screaming Trees bekannt wurde.

Die Grunge-Idee, die melodiöse Beach-Boys-Pop-Süße mit Punk-Zorn zu kreuzen, brachten allerdings dann andere zur Meisterschaft, nicht die Screaming Trees. Ein Lanegan-Fan und späterer enger Freund namens Kurt Cobain zum Beispiel. Lanegan fand dann als schwer beladener Balladensänger zu sich, als eine Art Nick Cave des Grunge.

Schon lange vor dem Ende der Screaming Trees - und kurz vor dem Nirvana-Durchbruch - deutete sich das 1990 auf seinem ersten Soloalbum "The Winding Sheet" an, auf dem als Gäste übrigens auch Cobain und Nirvana-Bassist Krist Novoselic mithalfen. Etwa bei der furchterregend düster-verschleppten Lanegan-Grunge-Version des Leadbelly-Blues-Klassikers "Where Did You Sleep Last Night!", die wiederum zu einem der Höhepunkte von Nirvanas MTV-Unplugged-Auftritt im November 1993 wurde, wenige Monate vor Cobains Tod.

Er komponierte auch für die Fernsehweltreisen des Kochs Anthony Bourdain

Lanegans Meisterwerk ist wahrscheinlich sein 1999 erschienenes Soloalbum "I'll Take Care Of You". Man höre nur dessen famos sanft dahingedengelten Titelsong, ein Cover eines Brook-Benton-Songs aus den Sechzigern. Unbedingt bleiben werden aber auch originale Lanegan-Songs wie "Strange Religion" oder die beiden Duette "Come Undone" mit Isobel Campbell und "Bombed" mit Wendy Rae Fowler, das mit der verdammten Verwandtschaft von Verliebtsein und High-Sein spielt und die sehr lustige und sehr weise Zeile enthällt: "When I'm bombed I stretch like bubblegum / And look too long straight at the morning sun".

Unter den Helden des Grunge galt der 1964 geborene Musiker irgendwann als der "große Überlebende". Nicht nur Kurt Cobain, sondern auch seine engen Freunde Jeffrey Lee Pierce, der Sänger von The Gun Club, und Layne Staley, Kopf von Alice In Chains, starben früh und direkt oder indirekt an den Folgen ihrer Drogen- und Alkoholsucht. Lanegan kämpfte selbst jahrzehntelang mit dem Heroin und dem Alkohol, sehr nüchtern bilanzierende Pop-Lexika führen schon die Screaming Trees als "hard drinking rock band from Ellensburg near Seattle".

Ende der Nullerjahre schaffte er allerdings den Entzug. Neben vielen Kooperationen und der Musik für die gefeierten Fernsehweltreisen des Kochs Anthony Bourdain, eines anderen schwer beladenen Freundes, der 2018 Selbstmord beging, legte er seit 2012 allein sechs Soloalben vor. Zuletzt brachte er eine monatelange Covid-Infektion hinter sich, bei der er mehrfach im Koma lag. In seiner erst kürzlich erschienenen zweiten Biografie "Devil in a Coma" hat er ausführlich darüber geschrieben.

Am Dienstag ist er in seinem Haus im Killarney im Südwesten Irlands im Alter von 57 Jahren gestorben.

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