Die Grünen:Und nun das

Alles wird gut, wenn man nur miteinander redet? Dieser Glaubenssatz ist widerlegt. Die Partei steht vor einer großen Debatte.

Kommentar von Constanze von Bullion

So ungemütlich war die Lage lange nicht für die Grünen. Die Partei versteht sich als Hüterin der Menschenrechte. Fragen von Krieg und Frieden waren für sie identitätsstiftend. Seit dem Angriff auf die Ukraine aber sieht man die Grünen auf Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck starren. Ansonsten wirkt die Partei wie paralysiert.

Kein Wunder, das friedliebende Selbstbild der Partei steht unter Druck wie seit 1999 nicht. Damals setzte Joschka Fischer das grüne Ja zum Nato-Einsatz in Kosovo durch, ein Angriff ohne UN-Mandat. Die Grünen trugen das unter Qualen mit. Sie ordneten ihre Abscheu gegen alles Militärische dem Schutz von Menschenleben unter. Das war richtig. Nun aber kehrt sich die Sache auf bedrückende Weise um. Ging es 1999 darum, ob die Grünen zu viel Krieg mitmachen, müssen sie sich heute fragen, ob sie in der Ukraine zu wenig gemacht haben. Denn was jetzt bleibt, ist Händeringen - und Zuschauen bei einem Mordsverbrechen.

Baerbocks Weigerung, der Ukraine Kriegsgerät zu liefern, war nachvollziehbar. Auch ein paar deutsche Waffen hätten Putin nicht aufgehalten. Der grüne Glaubenssatz aber, dass schon alles gut wird, wenn man nur redet, ist brutal widerlegt. Man darf jetzt gespannt sein auf die Argumente der Grünen gegen einen höheren Wehretat. Auch die atomare Abschreckung hat neue Aktualität. Das kann die Partei nicht länger verschämt überblenden. Es ist Zeit für eine offene grüne Sicherheitsdebatte. Stimme der Mäßigung kann die Partei trotzdem bleiben in Zeiten allgemeiner verbaler Mobilmachung. Sie sollte es.

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