Maßnahmen gegen Russland:EU will Waffen für die Ukraine finanzieren

Maßnahmen gegen Russland: Eine "Zäsur" für die Gemeinschaft: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, und Josep Borrell, Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik am Sonntag in Brüssel.

Eine "Zäsur" für die Gemeinschaft: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, und Josep Borrell, Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik am Sonntag in Brüssel.

(Foto: Stephanie Lecocq/dpa)

500 Millionen Euro sind vorgesehen. Russische Staatsmedien sollen in der Gemeinschaft verboten werden. Flüchtlinge aus der Ukraine sollen ohne Asylverfahren Schutz erhalten.

Von Matthias Kolb und Josef Kelnberger, Brüssel

Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, hat am frühen Sonntagabend kurz vor einer Videokonferenz der EU-Außenminister weitere Strafen gegen Wladimir Putins Russland und Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine vorgeschlagen. Wenig später gaben die Mitgliedstaaten grünes Licht für einen Schritt, den von der Leyen als "Zäsur" für die EU bezeichnete. Die Union wird erstmals den Kauf und die Lieferung von Waffen finanzieren. Parallel berieten die Innenministerinnen und Innenminister der EU-Staaten in Brüssel bei einem Krisentreffen, wie mit den vielen Flüchtlingen aus der Ukraine umgegangen werden solle.

Für die Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew werden 450 Millionen Euro an EU-Geldern genutzt. 50 Millionen seien dabei für Güter wie Helme, Benzin oder Erste-Hilfe-Material vorgesehen, sagte der Außenbeauftragte Josep Borrell nach der Videoschalte. Das Geld stammt aus einem Programm mit dem etwas unglücklichen Namen "Europäische Friedensfazilität". Dieses Finanzierungsinstrument wurde geschaffen, um die Fähigkeiten von Streitkräften in Partnerländern zu stärken. Laut Borrell wird sich Polen um die Logistik der Waffenlieferungen kümmern.

Vorgesehen ist auch, die "Medienmaschine des Kreml" in der EU zu verbieten

Zudem beschlossen die Außenminister, den europäischen Luftraum "für Russen" zu schließen. Alle Flugzeuge, die in Russland registriert sind, sich im Besitz von Russen oder "unter deren Kontrolle" befinden, dürfen das Gebiet der EU weder überfliegen noch dort starten und landen. Auch Chartermaschinen sind betroffen.

Einen "beispiellosen Schritt" nannte von der Leyen den Plan, die "Medienmaschine des Kreml" in der EU zu verbieten. Die Sender und Plattformen Russia Today und Sputnik, die dem russischen Staat gehören, sowie deren Tochtergesellschaften sollten nicht weiter "ihre Lügen verbreiten" können, "um Putins Krieg zu rechtfertigen und Streit in der Union zu säen", sagte die Kommissionspräsidentin. Man sei dabei, Werkzeuge zu entwickeln, um deren "giftige und schädliche Desinformation" in Europa zu verbieten, so von der Leyen. Auch diese Maßnahme fand die politische Unterstützung der 27 Mitgliedstaaten; sie wird in den nächsten Stunden rechtswirksam werden. In Deutschland hat der TV-Sender Russia Today bisher keine Sendelizenz erhalten, weshalb er seine Inhalte über das Internet verbreitet.

Überall soll das gleiche, unbürokratische Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen gelten

Bei ihrem Krisentreffen am selben Tag haben die Innenministerinnen und Innenminister der EU sich in Brüssel mit der großen Zahl an Flüchtlinge befasst, die aus der Ukraine erwartet werden. Der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenmanagement, der Slowene Janez Lenarčič, hatte zuvor gesagt, man rechne mit mehr als sieben Millionen Vertriebenen in der Ukraine. Man will, wie nach den Beratungen bekannt wurde, in allen EU-Mitgliedstaaten das gleiche, unbürokratische Verfahren zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen schaffen. Das würde bedeuten, dass Geflüchtete aus der Ukraine keine Asylverfahren durchlaufen müssen und einen vorübergehenden Schutz in der Europäischen Union für bis zu drei Jahre erhalten.

Damit würde erstmals eine entsprechende Rechtsgrundlage angewendet, die nach den Balkan-Kriegen geschaffen worden war. Die Richtlinie ist gedacht für den Fall, dass es so viele Asylanträge gibt, dass das Standardverfahren zu einer Überlastung der Behörden führen könnte.

Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson will beim nächsten Treffen am Donnerstag den Mechanismus offiziell vorschlagen. Bei dem Treffen müssten mindestens 15 der 27 Länder mit mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung zustimmen, die Richtlinie zu nutzen. Johansson erwartete am Sonntag "breiten Rückhalt". "Europa ist angesichts der russischen Bedrohung heute enger zusammengerückt", sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Zu den Mindeststandards, die alle EU-Länder garantieren müssten, gehören etwa eine Arbeitserlaubnis für die Vertriebenen sowie Zugang zu Sozialhilfe, medizinischer Versorgung, Bildung für Minderjährige und unter bestimmten Bedingungen auch die Möglichkeit zur Familienzusammenführung. Auch die freiwillige Umverteilung von Flüchtlingen in der EU ist möglich. Darum habe bislang jedoch noch kein EU-Land gebeten, sagte Johansson, auch keines direkt an der Grenze zur Ukraine wie Polen, das bislang die meisten Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat.

Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR etwa 368 000 Menschen auf der Flucht. Die Zahl basiere auf Daten nationaler Behörden und steige. Wie der Grenzschutz mitteilte, kamen allein in Polen mehr als 200 000 Flüchtlinge seit Beginn des Ukraine-Kriegs an. Auch Deutschland stellt sich auf die Aufnahme einer größeren Zahl von Menschen ein. Erste Kriegsflüchtlinge trafen am Wochenende ein, ihre Zahl war noch relativ gering.

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