Baerbock und Kühnert bei Maybrit Illner:Absteigen, wenn das Pferd tot ist

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Maybrit Illner lässt über die Folgen des Ukraine-Krieges debattieren. (Foto: Svea Plietschmann/ZDF)

Bei Maybrit Illner erklärt Außenministerin Baerbock den radikalen Kurswechsel deutscher Außenpolitik. Doch glücklich scheint sie - wie wohl gerade alle deutschen Politiker - damit nicht zu sein. Beruhigend.

Von Nele Pollatschek

Inhaltlich gibt es nach diesem Auftritt von Außenministerin Annalena Baerbock bei Maybrit Illner - das aufgezeichnete Gespräch dauerte keine zehn Minuten - nicht viel Neues zu sagen. Die Bundesregierung schickt 1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Flugabwehrraketen vom Typ Stinger in die Ukraine. Die Bundeswehr erhält ein Sonderbudget von 100 Milliarden Euro. Außerdem will Deutschland in Zukunft mehr (!) als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Rüstung investieren.

All diese Fakten sind bekannt, die Frage ist jetzt nur noch, wie sie vorgetragen werden - nicht unwichtig angesichts der deutschen Geschichte und der 180-Grad-Drehung, die die Republik gerade in militärischen Fragen hinlegt. Baerbock ist ruhig - nichts an ihrem Auftritt wirkt triumphal, die "Ich hab's euch ja gesagt"-Karte deutet die Grüne nicht mal an, obwohl sie während der Bundestagwahl dezidiert vor der russischen Haltung zur Ukraine gewarnt und sich schon damals gegen Nord Stream 2 ausgesprochen hatte.

Die Haltung der Weltgemeinschaft beschreibt Baerbock als "fassungslos, aber nicht ohnmächtig" - und meint damit auch sich selbst. Besonders betont sie, "dass Herr Putin diesen Krieg mit allem, was er hatte, wollte". Man hätte es nicht verhindern können, nicht durch Sanktionen oder frühere Waffenlieferungen an die Ukraine. Und dabei wollte man es unbedingt verhindern, denn: "Krieg ist das Allerschlimmste, was passieren kann."

Der zweite Strang ihres Arguments ist emotional. Baerbock erinnert an das Schicksal der Menschen in der Ukraine, an "kleine Kinder, die unsere Kinder sein könnten, mitten in Europa". Zusammen führen diese beiden Stränge zu einer einzigen Haltung: Wir wollen auf keinen Fall Krieg, aber Putin lässt sich nicht abbringen, und wir können die Menschen in der Ukraine nicht im Stich lassen.

Merkel könnte nicht alternativloser wirken

Nur so lässt sich erklären, was seit vierundzwanzig Stunden in das Wort "Zeitenwende" gepackt wird - eine Abkehr von allem, was die deutsche Außenpolitik bislang kennzeichnete. "Wenn die Welt eine andere ist, dann muss auch die Politik eine andere sein," sagt Baerbock. Angela Merkel könnte nicht alternativloser wirken.

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Es beruhigt - bei allem was daran beunruhigt -, dass weder Baerbock noch der weitere Gesprächsgast SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert auch nur einen Anflug von Kriegslust zu verspüren scheinen. Die Politiker dieses Landes, zumindest diese beiden, aber auch die am Sonntagvormittag bei der Sondersitzung des Bundestages, wollen das alles nicht. Wohl alle wären lieber bei Diplomatie geblieben.

Nur Maybrit Illner selbst mimt, zumindest für die Dauer der Sendung, den Diplomatie-Skeptiker. Irgendwann befremdet ihr ständiges Wiederholen des Wortes "Friedensdividenden" und die fünfte Version von "Hätte man nicht schon viel früher ..." und "Ist es jetzt nicht schon zu spät?".

Aber Kühnert, wie zuvor Baerbock, bleibt dabei: "Niemand muss sich dafür entschuldigen, auf Erlangung von Frieden durch Diplomatie gesetzt zu haben. Aber man muss von dem Pferd absteigen, wenn es tot ist." Man kann nur hoffen, dass das Pferd nicht tot ist, nur schwer angeschlagen. Und dass man einiges von dem, was beschlossen wurde, später wird zurücknehmen können. Bis dahin rollt die Maschine weiter.

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