Gewerbegebiet im Münchner Norden:Euro-Industriepark soll zum Wohngebiet werden

Gewerbegebiet im Münchner Norden: Vor knapp 60 Jahren ist der Euro-Industriepark im Stadtbezirk Schwabing-Freimann entstanden - nach dem Vorbild von US-amerikanischen Industrieparks. Nun könnten zahlreiche Wohnungen entstehen südlich der ehemaligen Bayernkaserne und nördlich des Frankfurter Rings.

Vor knapp 60 Jahren ist der Euro-Industriepark im Stadtbezirk Schwabing-Freimann entstanden - nach dem Vorbild von US-amerikanischen Industrieparks. Nun könnten zahlreiche Wohnungen entstehen südlich der ehemaligen Bayernkaserne und nördlich des Frankfurter Rings.

(Foto: Google Earth)

Grünflächen, Platz für Clubs und gestapelte Gewerbeflächen: Mit breiter Mehrheit beschließt der Stadtrat, ein neues Konzept für das Areal zu erarbeiten. Auch der Name soll sich ändern.

Von Sebastian Krass

Es fängt schon beim Namen an: Künftig will die Stadt nicht mehr vom "Euro-Industriepark", sondern vom "Europark" sprechen. Denn aus dem riesigen Gewerbegebiet im Münchner Norden soll nach dem Willen des Stadtrats ein urbanes Quartier "mit hohem Wohnanteil und Grün- oder Sportflächen" werden. Die Gewerbeflächen sollen erhalten, aber "durch Stapelung auf weniger Grundfläche untergebracht werden". Auch Standorte für "laute Club- und Kulturangebote" und Bandproberäume wünscht sich der Stadtrat. All diese Ziele hat der Planungsausschuss am Mittwoch auf einen Änderungsantrag der grün-roten Koalition hin beschlossen, und zwar mit Unterstützung der oppositionellen Stadträte von FDP und München-Liste.

Aufgabe von Stadtbaurätin Elisabeth Merk ist es nun, den Europark daraufhin zu untersuchen, ob diese Ziele realisierbar sind. Auf die Frage von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) nach einer "Zeitschiene" und "ob ich das noch erlebe, dass der Stadtrat darüber diskutieren kann", sagte Merk zu, "im Laufe eines Jahres" ein Konzept vorzulegen.

Der Europark, wie er in den offiziellen Plänen ohnehin schon immer heißt, liegt im Stadtbezirk Schwabing-Freimann: beiderseits der Ingolstädter Straße zwischen Lilienthalallee und Knorrstraße, nördlich des Bahn-Nordrings und des Frankfurter Rings sowie südlich der ehemaligen Bayernkaserne, wo in den nächsten Jahren ein neuer Stadtteil mit 5500 Wohnungen für bis zu 15 000 Menschen entsteht. Insgesamt ist der Europark 215 Hektar groß und damit halb so groß wie die gesamte Maxvorstadt. Entstanden ist er vor knapp 60 Jahren, weil der Kaufmann Anton Ditt einen Industriepark nach US-amerikanischem Vorbild errichten wollte. Bis heute ist das Areal geprägt durch große Abholmärkte und Großhandelsketten (unter anderem Metro, Real, V-Markt), umgeben von riesigen Parkplatzflächen.

Das Problem: Die Grundstücke sind "auf unglaublich viele Privateigentümer verteilt"

Es handele sich um ein Gebiet, das "aus der Zeit gefallen ist" und um "Flächenressourcen, die man nicht ungenutzt lassen sollte", sagte Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher in der Ausschussdebatte. Im Europark biete sich die Chance, die Stadt zu verdichten, "ohne Grünflächen im Außenbereich in Anspruch zu nehmen, sondern indem man Flächen entsiegelt". Zudem werde das Gebiet durch die neue Straßenbahn Richtung Bayernkaserne künftig gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein, auch eine S-Bahn-Anbindung über den Nordring sei denkbar.

Das städtebauliche Potenzial des Europarks treibt die Politik seit Jahren um. Grüne/Rosa Liste hatten 2018 und 2019 Anträge mit dieser Zielrichtung gestellt, auch im Koalitionsvertrag mit SPD/Volt ist das Vorhaben festgehalten. Die CSU forderte 2019, dass die Stadt mit den Grundstückseigentümern über Wohnungsbau diskutiert.

In diesem Punkt liegt allerdings auch das größte Problem für eine Überplanung des Europarks. Denn die Grundstücke sind "auf unglaublich viele Privateigentümer verteilt", wie SPD-Stadträtin Simone Burger sagt, "das macht es schwierig". Vor knapp einem Jahr lud das Planungsreferat die Eigentümer entlang der künftigen Tramlinie 23 und östlich der Bayernkaserne zu einer Infoveranstaltung ein, allein das waren schon 24 Parteien. Tenor des Abends sei gewesen, schreibt Merk in ihrer Vorlage, dass "grundsätzlich Interesse an einer baulichen Veränderung besteht", die Beteiligten sich aber "nicht in der Lage sehen, die Planungen anzustoßen oder voranzutreiben". Wenn sich also etwas tun soll, muss die Stadt aktiv werden.

Auch im Werksviertel habe es zunächst lange gedauert - und dann ging es plötzlich schnell

Deshalb soll das Planungsreferat nun prüfen, ob man eine "Sanierungssatzung" für das Gebiet erlässt. Es sei "wichtig, dass wir in die Rahmenplanung einsteigen", sagte Simone Burger (SPD). Damit, so die Hoffnung, könnte die Stadt den Umbau-Prozess besser steuern. Dazu allerdings erntete Grün-Rot Widerspruch von Jörg Hoffmann (FDP), der den Koalitionsantrag ansonsten "sehr gut" fand: "Bei dem Wort Sanierungssatzung stellen sich mir die Nackenhaare auf, das heißt immer: Regulierung vor Dialog." Alexander Reissl (CSU) betonte, es sei wichtig, "erstmal mit den Eigentümern zu reden. Die Leute können ja auch etwas gewinnen, zum Beispiel mehr Baurecht".

Stadtbaurätin Merk sagte, man müsse prüfen, ob eine Sanierungssatzung, wie die Stadt sie etwa für Moosach oder das Gebiet Tegernseer Landstraße/Chiemgaustraße erlassen hat, auch im Europark sinnvoll sei. Sie könne aber ein Weg sein, "Städtebau-Fördermittel zu generieren". Den Grundansatz, den Europark neu zu planen, verglich sie mit dem Werksviertel, wo es zehn Jahre gedauert habe, bis die vielen Eigentümer "verstanden haben, was für ein Potenzial da drin steckt". Danach sei die Entwicklung schnell vorangegangen.

Die CSU verweigerte dem Kern des grün-roten Antrags die Zustimmung, weil sie "den Grundcharakter eines Gewerbegebiets eher beibehalten" möchte, wie Stadtrat Reissl sagte. Man könne sich aber gut vorstellen, dass etwa am Übergang zur Bayernkaserne auch Wohnen möglich seien. Dem CSU-Änderungsantrag, das Planungsreferat möge prüfen, wie die Erschließung mit öffentlichem Nahverkehr noch besser werden könne, stimmten alle anderen Parteien zu. Dass das auch für den Autoverkehr passieren solle, stieß hingegen bei Grün-Rot und der Linken auf Ablehnung.

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