Sportartikelhersteller:Italienische Wochen bei Adidas

Sportartikelhersteller: Gucci-Model auf der Fashion Week in Mailand: Erst vor wenigen Tagen hatte Adidas eine Partnerschaft mit der Modemarke bekanntgegeben.

Gucci-Model auf der Fashion Week in Mailand: Erst vor wenigen Tagen hatte Adidas eine Partnerschaft mit der Modemarke bekanntgegeben.

(Foto: Antonio Calanni/AP)

Zuerst eine Kooperation mit Gucci und nun auch noch Ausrüster der italienischen Nationalmannschaft: Bei Adidas läuft's. Nur sein China-Problem kann der Konzern einfach nicht lösen.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Die italienische Fußball-Nationalmannschaft wird ab 2023 von Adidas ausgerüstet, nachdem sie seit fast 20 Jahren beim Konkurrenten Puma unter Vertrag steht. Kaum hatte Adidas-Chef Kasper Rorsted das am Mittwochvormittag verkündet, konterte Puma mit einer ungewöhnlichen Replik: Man habe den Vertrag mit den Italienern aus freien Stücken nicht verlängert, "da die finanziellen Bedingungen ein schlechtes Geschäftsmodell darstellten", hieß es in einer knappen Mitteilung. Da ploppte sie wieder auf, die alte Rivalität zwischen den Herzogenauracher Lokalrivalen Adidas und Puma.

Ausrüsterwechsel von Nationalteams, Vereinsmannschaften oder Top-Spielern sind nicht ungewöhnlich und normalerweise kommentiert der verlassene Sponsor sie nicht. Dass Puma dies trotzdem tat, zeigt, dass es hier um viel geht. Als amtierender Europameister und vierfacher Weltmeister ist Italien eine Top-Adresse im Weltfußball. Die Azzuri gelten aber über das Sportliche hinaus auch international als modische Trendsetter. Insofern ist der Vertrag, zu dessen Laufzeit und finanziellem Volumen Rorsted nichts sagen wollte, ein Gewinn für Adidas. Mit Blick auf den Verkauf von italienischen Replica- und Fanartikeln, vielleicht aber noch mehr für das eigene Image.

Sie gehen also weiter, die italienischen Wochen beim zweitgrößten Sportartikelhersteller nach Nike und vor Puma. Vor wenigen Tagen erst versetzte die Bekanntgabe einer Partnerschaft von Adidas mit Gucci die Modewelt in Wallung. Eine Prada-Kollektion gibt es schon länger bei Adidas und auch mit dem US-Tausendsassa Kanye West und der japanischen Modeikone Yoji Yamamoto arbeiten die Franken schon länger zusammen. Sport und Mode geschickt zu verbinden, garantiert große Geschäfte, aber eben auch Glanz und Glamour.

All das kann Adidas gut gebrauchen, denn an anderen Stellen gibt es gehörige Probleme. In China zum Beispiel, wo sich alle westlichen Markenhersteller schwer tun, seit ein Boykottaufruf gegen sie besteht. Anlass dafür war westliche Kritik am Umgang des Regimes in Peking mit der ethnischen Minderheit der Uiguren. Adidas meldet für 2021 zwar noch ein währungsbereinigtes Umsatzplus in China von drei Prozent. Doch das ist allein exzellenten Geschäften im ersten Quartal zu verdanken. Seither rauschen die Umsätze in den Keller: minus 15,9 Prozent im zweiten, minus 14,6 Prozent im dritten und schließlich minus 24,3 Prozent im letzten Quartal des vergangenen Jahres. Macht in diesen neun Monaten fast 600 Millionen Euro weniger Geschäft in China als im Corona-Jahr 2020. Vorstandschef Rorsted zeigte sich dennoch für 2022 optimistisch, wobei er auch auf Nachfrage offen ließ, worauf sich diese Zuversicht gründet.

Der Rückzug aus Russland wird Adidas wohl 250 Millionen Euro kosten

Der Däne mit Wohnsitz am Starnberger See sieht den Konzern insgesamt auf Kurs. Um Währungsschwankungen bereinigt erwirtschaftete Adidas im vergangenen Jahr 16 Prozent mehr Umsatz, insgesamt 21,2 Milliarden Euro. Ohne das China-Problem, die Pandemie und Lieferschwierigkeiten vor allem im wichtigen Produktionsland Vietnam wären es anderthalb Milliarden Euro mehr gewesen. Der Gewinn aus dem fortgeführten Geschäft verdreifachte sich 2021 auf 1,49 Milliarden Euro. Im laufenden Jahr soll er auf 1,8 bis 1,9 Milliarden Euro steigen, während der Umsatz um knapp 13 Prozent zulegen soll. Wobei allein der zu Wochenbeginn verkündete, kriegsbedingte Rückzug aus Russland Adidas voraussichtlich 250 Millionen Euro kosten wird. "In Märkten, die keinen größeren Beeinträchtigungen ausgesetzt waren, haben wir eine starke Umsatzdynamik", sagt Rorsted und sprach von insgesamt "sehr guten Ergebnissen".

Trotzdem ist die Lage bei Adidas seltsam volatil. Einerseits hält der Konzern Kurs, was die erklärten Ziele seines Entwicklungsplanes bis 2025 angeht. Die schwächelnde US-Tochter Reebok haben Rorsted und seine Leute gerade für erstaunliche 2,1 Milliarden Euro verkauft. So gesehen also stimmen die Zahlen. Andererseits gehörte die im Dax notierte Aktie im vergangenen Jahr mit fast 14 Prozent Wertverlust zu den großen Verlierern. Mit 210 Euro (Stand Mittwochnachmittag) ist sie weit von ihrem Höchststand im Sommer 2021 entfernt, als sie für 334 Euro gehandelt wurde.

Branchenexperten sagen, Adidas habe an Kreativität eingebüßt, es fehlten bahnbrechende Produktinnovationen und weltweite Bestseller wie in den vergangenen Jahren die Sneaker "Superstar" oder "Stan Smith". Einen anderen Vorwurf, Adidas spare zu sehr beim Marketing, das in der Sportartikelbranche besonders wichtig ist, widersprach Rorsted. Zweieinhalb Milliarden gebe Adidas jährlich aus, um die Marke und ihre Produkte zu inszenieren und zu bewerben.

Dazu gehört auch der Home-Ground, jene firmeneigene Bungalowsiedlung auf dem Konzerngelände in Herzogenaurach, wo sich die deutsche Fußball-Nationalmannschaft medienwirksam für Adidas auf die EM 2021 vorbereitete. Auch vor der Weltmeisterschaft am Jahresende in Katar will das Team von Hansi Flick dort trainieren. Zuvor logieren dort bereits im Lauf des Sommers die Frauen-Nationalmannschaft und das Team von Arsenal London. Adidas will die Aufenthalte nutzen, um der Welt zu zeigen: "Wir sind Fußball", wie es Rorsted formulierte. Und wer weiß, vielleicht schauen ja auch die Italiener mal vorbei.

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