Nachruf:Ganz nah

Nachruf: Ein Leben wie eine Reise: Sigi Bergmann 2019 in St. Margarethen.

Ein Leben wie eine Reise: Sigi Bergmann 2019 in St. Margarethen.

(Foto: imago images)

819 mal "Sport am Montag" im ORF - er hatte sie alle vor dem Mikrofon: Der Sportreporter Sigismund "Sigi" Bergmann ist gestorben.

Von Holger Gertz

Sigismund "Sigi" Bergmann war ein glücklicher Sportreporter, denn er konnte arbeiten in Zeiten, die Nähe noch zuließen. Ende der Sechzigerjahre kam er zum ORF, moderierte danach 17 Jahre und 819 Sendungen lang "Sport am Montag", berichtete von Fußballweltmeisterschaften, Olympischen Spielen. Er war in Österreich ein Doyen des Sportjournalismus, wie vielleicht Harry Valérien in Deutschland. Alle, alle hatte er vorm Mikrofon, man kam sich noch näher damals, als nicht Medienagenten und Exklusivverträge darüber bestimmten, was ein Sportler einem Journalisten anvertraute. Schöne Geschichte, Bergmann hat sie selbst erzählt bei einem Gespräch, 2014 im Café Museum in Wien: wie er einmal Muhammad Ali beim Training gefilmt hat. Bergmann hatte ein Buch dabei, "Cassius Clay, Reportage einer Karriere", der Boxer sollte es nach dem Training signieren. Aber Ali pfefferte es durch den Raum, er würde sein Autogramm nicht in ein Buch schreiben, auf dem sein Sklavenname steht. Als Ali mit dem Duschen fertig war, kam Bergmann noch mal mit dem Buch, und Ali unterschrieb. Sigi Bergmann hatte das Buch mitgebracht, damals zum Gespräch, er legte es auf den Caféhaus-Tisch. Mit Kugelschreiber stand im Cassius-Clay-Buch: Muhammad Ali.

Bergmann war einer von denen, die zur Legende geworden waren und sich kein bisschen benahmen, als würde ihnen der Legendenstatus etwas bedeuten, stattdessen war er stets zugewandt, ein blendender Erzähler. Mehr als 3000 von ihm betrachtete Boxkämpfe wollten rekapituliert werden. Und natürlich all die Plaketten, die österreichische Olympioniken in seiner Gegenwart gewonnen hatten. Von einem Medaillenregen in allen Legierungen sprach der wortgewaltige Bergmann bei solcher Gelegenheit. Was der Sportberichterstattung immer guttut: wenn Menschen sich ihrer annehmen, deren Horizont weit gefasst ist. Er war auch promovierter Historiker, ausgebildeter Opernsänger. Erinnert sei an jene Zeiten, in denen der Kabarettist Werner Schneyder dann und wann das "Aktuelle Sportstudio" moderierte.

Die schönsten Olympischen Spiele waren für ihn 1988 in Seoul, da war auch seine Tochter Elisabeth qualifiziert

Der Kunstfreund Bergmann lud zu "Sport am Montag" auch Placido Domingo ein, Helmuth Lohner und Peter Ustinov. Der Menschenfreund Bergmann brachte das Leben des früheren Rauchfangkehrers und späteren Preisboxers Hans Orsolics wieder in die Spur. Noch als Rentner blieb Bergmann Reporter und arbeitete an einer Doku über eine österreichische Eishockeylegende mit, wunderbarer Titel: "Sepp Puschnig, der Karawankenbär".

Ein Leben wie eine Reise. Bergmann nahm das Publikum mit in die Welt, damals, als das Publikum sich von reisenden Reportern diese Welt noch gern erklären ließ. Manches ist erhalten in der Schatzkiste Youtube: 1978, Airport Buenos Aires. Bergmann erwartet, umgeben von fähnchenwedelnden Schulkindern, die österreichische Nationalmannschaft zur Fußball-WM. Das Kamerateam darf dann in den Mannschaftsbus bei der Fahrt vom Flughafen zum Trainingscamp Moreno. Die Spieler haben erstaunlicherweise kleine Plüschfigürchen dabei, Nachbildungen ihrer selbst, Stoff-Krankl, Stoff-Schneckerl, eine lang verschüttete Rarität der Fußballgeschichte. Doch die schönsten Olympischen Spiele waren für Bergmann 1988 in Seoul, denn auch seine Tochter Elisabeth war qualifiziert, in der Rhythmischen Sportgymnastik.

Leben ist immer die Summe der Erfahrungen, die einer macht. Wer mit Bergmann sprach, spürte bald, warum eine Niederlage eines Sportlers für ihn keine Tragödie war und ein Spiel nichts, was man zu hoch hängen müsste. Er hatte früh gelernt, große von kleinen Katastrophen zu unterscheiden. Seine Mutter wurde kurz vor Kriegsende von einer verirrten Kugel getroffen, sie hatte den siebenjährigen Sigi schützen wollen, und sie ist dann immer bei ihm geblieben, als sein Schutzengel. So hat er das später selbst beschrieben.

In der Nacht auf Dienstag ist Sigi Bergmann mit 84 Jahren in Klagenfurt gestorben.

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