Ausgrabung im Landkreis Erding:Leben und Sterben wie im alten Rom

Lesezeit: 3 min

Martina Pauli (3. von rechts), Gebietsreferentin vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, erläutert an einer Grabstelle die Funde im Beisein von Grabungsleiter Ulrich Schlitzer und Museumsleiter Harald Krause (von rechts) sowie OB Max Gotz (links). (Foto: Stephan Görlich)

Archäologen entdecken in einer Kiesgrube bei Eichenkofen einen römischen Friedhof mit einer seltenen Glasurne als Grabbeigabe. Eine Tierfigur sorgt für Rätsel.

Von Regina Bluhme, Erding

Wer im Landkreis Erding in der Vergangenheit gräbt, der muss vorsichtig sein. Archäologische Fundstücke liegen oft nur wenige Zentimeter unter der Erde - und fündig werden Grabungsteams in der Gegend sehr oft. Zum Beispiel in der Kiesgrube Kaiser bei Eichenkofen. Dort wurde nun ein römischer Friedhof entdeckt. Zwölf Gräber sind bisher aufgespürt worden, die vom Sterben, aber auch vom Leben der Menschen vor fast 2000 Jahren erzählen. Es fanden sich Reste eines Scheiterhaufens, eine außergewöhnliche Glasurne, Geschirrscherben - und eine Tierfigur, die noch Rätsel aufgibt.

Nicht zum ersten Mal hatte das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege zu einem Pressetermin zwischen den Kiesbergen der Firma Kaiser eingeladen. Bei Eichenkofen stand einst eine Villa Rustica, ein landwirtschaftliches römisches Anwesen. 2019 wurden Fundamente ausgegraben, die auf eine römische Thermenanlage hinweisen. Und jetzt der Friedhof. Vor ein paar Wochen sei das Archäologenteam auf die zwölf, beinahe 2000 Jahre alten, Urnengräber römischen Ursprungs gestoßen, sagte Martina Pauli, Gebietsreferentin am Landesamt für Denkmalpflege, beim Ortstermin am Mittwoch. Es sei anzunehmen, dass in den Gräbern die Bewohner der benachbarten Villa bestattet wurden. Der Herr des Hauses, seine Familie und womöglich auch das Gesinde und Sklaven.

Die Grabungen in der Kiesgrube bei Eichenkofen laufen weiter. Hier legt ein Mitarbeiter des Archäologenteams eine Urne aus römischer Zeit frei. (Foto: Stephan Görlich)

Wie im Römischen Reich üblich, so Pauli, haben Bewohner und Bewohnerinnen des Landguts ihre Verstorbenen auf einer Art Scheiterhaufen, der sogenannten Ustrina, verbrannt. Dabei sind die Archäologen in Eichenkofen sehr wahrscheinlich auf eine solche Verbrennungsstelle gestoßen - was für die Wissenschaft besonders interessant sei, erklärte Martina Pauli. Deutliche Hinweise liefert eine Grube, in der zahlreiche Ascheschichten entdeckt wurden. In den Gräbern finden sich neben den typischen Urnen aus Keramik auch Grabbeigaben wie Räucherkelche, Armreifen, Nägel, Öllämpchen. Oder Geschirr, denn zuweilen wurde noch ein Teller mit Schweinshaxe ins Grab mitgegeben, so Pauli.

Zudem haben die Archäologen und Archäologinnen eine ganz besondere gläserne Urne aus der Erde geholt. Das außergewöhnlich gut erhaltene Gefäß konnte das Grabungsteam komplett mit Inhalt bergen. Dies gelinge sonst nur selten, weil das Material sehr anfällig sei für Beschädigungen und Korrosion, so Pauli. Die Urne soll demnächst in den Restaurierungswerkstätten des Bayerischen Landesamts genau untersucht, unter anderem auch geröntgt, werden.

Martina Pauli vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege hält eine römische Öllampe in den Händen. Die Grabbeigabe ist zudem verziert. Das Motiv, so Pauli: "ein springender Hund". (Foto: Stephan Görlich)

Zudem fand sich in der Kiesgrube von Josef Kaiser ein weiteres äußerst interessantes Stück, eine Tierplastik. Pauli vermutet, dass die Figur Teil eines größeren Grabmonuments oder Grabsteins ist. Der weiße Kalkstein stamme nicht von hier, vermutlich komme er aus dem Alpengebiet. Die Figur ist stark verwittert, der Kopf fehlt, aber es sind Hinter- und Vorderläufe zu erkennen, der Rücken sowie die Ansätze von Flügeln. Es könnte sich um einen geflügelten Löwen, einen Löwengreif oder gar eine Sphinx handeln, erklärte Martina Pauli. Daraus lasse sich nun wieder schließen, dass die Figur einen größeren Grabstein oder gar ein weit sichtbares Grabmonument zierte. Bei dem Bestatteten könnte es sich um den finanzkräftigen Villa-Besitzer gehandelt haben.

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Grabungsleiter Ulrich Schlitzer von Planateam Archäologie, bereits seit 2011 immer wieder vor Ort zu Gange, vermutet, dass sich in der Erdinger Kiesgrube wohl noch mehr Gräber finden. Er verwies darauf, wie vorsichtig das Team vorgehen müsse. "30 Zentimeter Humus abgetragen, schon kommt die Archäologie."

Die Fundstücke sollen in das Eigentum der Stadt Erding übergehen

Harald Krause, Leiter des Museums Erding und Vorsitzender des Archäologischen Vereins, setzte sich dafür ein, dass die Fundstücke in das Eigentum der Stadt Erding übergehen und dort auch aufbewahrt werden sollten. Er werde "die Eigentumsübertragung anstreben", sagte Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) am Mittwoch vorsichtig. Er verwies auf die finanziellen Belastungen, die Kommunen und Privatleute zu tragen hätten. Denn die Kosten für die Grabungen müssen diese aus eigener Tasche zahlen. Für ihn seien insgesamt bereits Kosten von 200 000 Euro entstanden, erklärte Kiesgrubenbesitzer Josef Kaiser. Hier sei der Staat gefordert, es müsse nachgebessert werden, so Gotz.

Fingerspitzengefühl ist also angesagt. Das haben auch die vier Mitarbeiter von Planateam am Mittwochvormittag bewiesen. Äußerst konzentriert arbeiteten sie - in der Hocke oder im Liegen - mit Pinsel, Miniaturspatel und mit Zollstock an vier Gruben. Wie zum Pressetermin bestellt, ploppte ein grünes Teilchen, klein wie ein Stecknadelkopf, an der Oberfläche auf. Wahrscheinlich ein Stück eines Armreifs, schätzte Martina Pauli auf den ersten Blick. Und dann kam am Mittwoch noch eine Grabbeigabe ans Licht, voller Erde, aber klar zu erkennen: ein Löffel.

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