Graphic Novel "Anaïs Nin":Ein Leben als Ornament

Graphic Novel "Anaïs Nin": Das Tagebuch als Droge, als Spiegel - als wildes Gegenüber: Ausschnitt aus "Anaïs Nin - Im Meer der Lügen".

Das Tagebuch als Droge, als Spiegel - als wildes Gegenüber: Ausschnitt aus "Anaïs Nin - Im Meer der Lügen".

(Foto: Splitter Verlag)

Sie entflammt die Fantasie: Léonie Bischoff erzählt und zeichnet die kreative Zerrissenheit der Schriftstellerin Anaïs Nin in sanften Jugendstil-Bildern.

Von Fritz Göttler

Das Leben allein, grübelt Anaïs Nin, kann die Vorstellungskraft nicht befriedigen. Sie ist in ihrer Unbedingtheit die schöpferische Frau par excellence in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Paris. Sie schätzt ihren Mann, aber ist nicht glücklich, die Frau eines Bankers zu sein. Sie führt ein Tagebuch, "meine Droge, mein Spiegel", schreibt frei über Liebe und Sex, aber würde gern einen richtigen Roman schreiben. Irgendwann muss sie es teilen, eins, das auch andere lesen dürfen, eins, das sie ganz für sich behält. Léonie Bischoff erzählt und zeichnet die kreative Zerrissenheit der Anaïs Nin in sanften Jugendstil-Bildern, die immer wieder berauschend zerfließen, in Wellen und Blütenkaskaden. Ein Leben als Ornament.

Graphic Novel "Anaïs Nin": Léonie Bischoff: Anaïs Nin - Im Meer der Lügen. Aus dem Französischen von Désirée Schneider. Splitter-Verlag, Bielefeld 2022. 192 Seiten, 29,80 Euro.

Léonie Bischoff: Anaïs Nin - Im Meer der Lügen. Aus dem Französischen von Désirée Schneider. Splitter-Verlag, Bielefeld 2022. 192 Seiten, 29,80 Euro.

Es ist eine wunderbar aparte Anaïs, mit spitzer Nase und großen Augen. Sie hat viele Männer befriedigt und verführt, Henry Miller vor allem, ein Riesenbaby, das sie unterstützt, als er aus dem prüden Amerika nach Paris flieht, den Psychoanalytiker Otto Rank, den eigenen Vater. In June, der Geliebten von Henry Miller, findet sie eine ebenbürtige Frau: "Sie entflammt die Fantasie und lässt sich davon verzehren." Die Dritte im Bunde ist ihre imaginäre Doppelgängerin, die sich wuchtig über sie erhebt wie ein Geist aus der Flasche und ihr einflüstert. Erst gegen Schluss gibt es Momente des Schreckens, sie blickt im Spiegel auf ihren Bauch, schon im fünften Monat, und weiß, sie will auf keinen Fall Mutter werden ...

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