Extremsport in Kamtschatka:Gefährliche Schönheit

Zehn Menschen starben hier beim Heliskiing: Kamtschatka gilt Extremsportlern als Traumziel - doch die unberührten Berge werden für Skifahrer schnell zur Falle.

Sonja Zekri

Sie nennen es das "Land aus Feuer und Eis": Kamtschatka, Russlands atemberaubend schöne, aber so gut wie unzugängliche fernöstliche Halbinsel. Zehn Menschen starben hier am Samstag beim Heliskiing, unter ihnen fünf Deutsche aus Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sowie fünf Russen. Eines der Opfer hat offenbar die doppelte Staatsbürgerschaft gehabt, sodass die deutschen Behörden von sechs Deutschen sprachen.

Das tödliche Lawinenunglück soll von den Wintersportlern selbst ausgelöst worden sein, teilte das Zivilschutzministerium am Montag mit. Zunächst hatte es geheißen, ein Helikopter hätte die Lawine verursacht. Wie das Unglück genau ablief, werden künftige Untersuchungen zeigen. Sicher ist: Die Touristen fielen einem von vielen Risiken zum Opfer, die es auf der russischen Halbinsel gibt. Auf Kamtschakta gibt es Säureseen und schwefelige Dämpfe, Unvorsichtige können durch Erdspalten in brodelnde Flüssigkeiten stürzen oder von Bären zerrissen werden. Auf einer Fläche so groß wie Deutschland und Österreich zusammen ragen hier 30 aktive Vulkane und mehr als 100 erloschene auf. Berge von bis zu 4800 Metern Höhe fallen jäh ins Meer ab. In den Reiseführern steht, Einheimische warnen, man finde "keine Wege, nur Richtungen".

Bis 1990 war die Halbinsel militärisches Sperrgebiet, seitdem ist sie ein Geheimtipp für Extremurlauber, die schon mit den Tuareg durch die Wüste gezogen sind und den Lenin-Gipfel in Tadschikistan bezwungen haben. In den Flüssen Kamtschatkas schwimmen so viele Lachse wie nirgendwo sonst auf der Welt, und mit etwas Glück sieht man einen Bären auf der Fischjagd. Es ist, als sehe man der Erde bei ihrer Entstehung zu, sagen die, die da waren. Zu den vielen Opfern dieses so feindlichen und so faszinierenden Landstriches zählt auch Vitus Bering (1681-1741). Acht Jahre bereitete er eine Expedition nach Kamtschatka vor, die klären sollte, ob es eine Landverbindung zwischen Russland und Amerika gibt; Bering betrat tatsächlich als erster Europäer Alaska, konnte aber nur ein paar Stunden bleiben und starb vor der Küste Kamtschatkas auf der Awatscha-Insel, die später in Beringinsel umbenannt wurde, durch Vitamin-C-Mangel an Skorbut.

Inzwischen ist die Versorgung auf Kamtschatka besser, aber noch immer nicht überragend. Die 350000 Bewohner - 200000 von ihnen leben allein in der Hauptstadt Petropawlowsk, und werden ohnehin mit jedem Jahr weniger - sind den gewaltigen Naturräumen ausgeliefert. Seit dem Ende der Sowjetunion ist der Transport mit Hubschraubern, früher eine Art öffentlicher Nahverkehr, in ganz Sibirien und im Fernen Osten teuer geworden. Die Plattenbauten verfallen, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Sommer sind kurz. Die Tage der ruhmreichen sowjetischen Pazifikflotte sind längst vorbei. Heute ziehen abgehalfterte Kutter tonnenweise Fisch aus dem Meer, der an Japan verkauft wird. Doch wer es sich leisten kann, reist aus. Allerdings: Die wenigsten können.

So ist der Tourismus eine der raren Einnahmequellen. Entsprechend teuer sind die Touren auf die Vulkane. Sechs Tage Heliskiurlaub kosten mehr als 4000Euro, und darin ist die Anreise noch nicht einmal enthalten. Wie alle anderen exklusiven Freizeitvergnügen hier am Ende der Welt ist Heliskiing kostspielig - und manchmal auch gefährlich.

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