Steuerrecht:Cum-Ex-Akteure scheitern am obersten Steuergericht

Steuerrecht: Der frühere Steueranwalt Hanno Berger ist einer der prominentesten Akteure in der Cum-Ex-Affäre.

Der frühere Steueranwalt Hanno Berger ist einer der prominentesten Akteure in der Cum-Ex-Affäre.

(Foto: privat)

Der Bundesfinanzhof räumt mit den letzten Mythen rund um die illegalen Steuertricks auf. Das Grundsatzurteil ist auch eine Niederlage für Hanno Berger, das Mastermind hinter vielen dieser Deals.

Von Jan Diesteldorf und Nils Wischmeyer, Frankfurt

Der erste öffentliche Auftritt von Hans-Josef Thesling in seiner neuen Rolle war betont leise. Seit Ende Januar ist er Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH) und damit Deutschlands oberster Finanzrichter. Um den Posten gab es Streit, mehr als ein Jahr lang blieb er unbesetzt, mit Aufregung reicht es jetzt mal. Und so spulte Thesling zur Vorstellung des BFH-Jahresberichts am Dienstag nur ein paar Zahlen ab und sprach über Digitalisierung. Den Paukenschlag überließ er seinem Kollegen Peter Brandis. Der sprach über ein Urteil, das all jene enttäuschen dürfte, die noch auf späte Erfolge im Skandal um steuergetriebene Cum-Ex-Aktiengeschäfte gehofft hatten: Deutschlands oberstes Steuergericht hat die Ansprüche eines US-Pensionsfonds zurückgewiesen, der vom Fiskus 27 Millionen Euro an Steuern erstattet haben wollte.

Vertreter des Fonds hatten geklagt, als das für ausländische Steuerpflichtige zuständige Bundeszentralamt für Steuern das Geld nicht auszahlen wollte. Vor dem Finanzgericht in Köln hatte die Firma bereits verloren, wollte es aber in Revision genau wissen. Nun hat auch der BFH die Klage abgewiesen und damit einen der letzten Versuche der Cum-Ex-Akteure unterbunden, an ihre nicht ausgezahlte Beute aus dem Jahr 2011 zu kommen.

"Ein Erstattungsanspruch besteht insoweit nicht", sagte Brandis, nachdem er ausführlich die steuerrechtlichen Grundlagen und die Fallkonstellation erläutert hatte. Der Pensionsfonds war am 23. Februar 2011 gegründet worden und kurz danach in den Aktienhandel eingestiegen - allein mit dem Ziel, diese Steuererstattungen zu kassieren. An den milliardenschweren Deals waren ansonsten europäische Firmen und Banken beteiligt; das Gericht ging von einem "modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzept" aus, wobei der Kläger nur "passiver Teilnehmer" gewesen sei. Das Gericht ging also davon aus, dass der Pensionsfonds nur in den Kreislauf eingebaut worden war, weil er grundsätzlich erstattungsberechtigt war.

Erstes Grundsatzurteil zu besonderer Cum-Ex-Spielart

Mit dieser Entscheidung gibt es erstmals ein Grundsatzurteil zu vermeintlichen US-Pensionsfonds, die sich mithilfe von sogenannten Cum-Ex-Deals Hunderte Millionen Euro vom Staat erschleichen wollten. Das dürfte weitreichende Auswirkungen für andere Fälle haben - und räumt endgültig mit dem Mythos auf, rund um die Steuertricks mit dem Namen "Cum-Ex" hätte es bis Ende 2011 legale Schlupflöcher gegeben. Das Urteil sei auch als Absage zu verstehen an ein Geschäftsmodell, "das Unsicherheiten bei der eindeutigen wirtschaftlichen Zuordnung von Aktien in der Weise nutzen wollte, dass eine einmal einbehaltene Abzugssteuer vom Fiskus möglicherweise zweifach oder sogar mehrfach angerechnet oder ausgezahlt wurde", sagte Brandis und betonte, nun bestünde in vielen Cum-Ex-Konstellationen für Finanz- und Strafverfolgungsbehörden gleichermaßen Rechtssicherheit.

"Cum-Ex" steht für den Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch. Einmal im Jahr zahlen die meisten börsennotierten Unternehmen ihren Aktionären eine Gewinnbeteiligung aus. Wer zum Stichtag eine Aktie hält, hat auf diese Dividende einen Anspruch, muss aber 25 Prozent Kapitalertragsteuer abführen - wobei sich bestimmte Firmen diese Steuer zurückholen können. In den Jahren 2006 bis mindestens 2011 nutzten Geldhäuser, Börsenhändler und andere Beteiligte einen Fehler im System aus und ließen sich beim Handel riesiger Aktienpakete rund um den Dividendenstichtag Steuern erstatten, die zuvor niemand gezahlt hatte. Den Fiskus hat das schätzungsweise mehr als zehn Milliarden Euro gekostet.

Das Landgericht Bonn und später der Bundesgerichtshof haben die Geschäfte mittlerweile als illegal und strafbar verurteilt. Dutzende Strafverfahren laufen noch. Die Argumentation, dass Cum-Ex-Geschäfte wegen einer Gesetzeslücke legal gewesen seien, verwarf auch der Vorsitzender Richter des BGH, Rolf Raum, bei der Verhandlung im Juli 2021: Eine "Lücke" habe es hier nicht gegeben. "Es ging vielmehr - nicht anders als bei dem normalen Umsatzsteuerbetrug - um einen blanken Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler normalerweise einzahlen", sagte Raum.

Das Gericht wies die Klage damals ab

Das Finanzgericht Köln hatte dem vorgegriffen, als es im Sommer 2019 über die jetzt am BGH verhandelte steuerrechtliche Klage entschied. Das Gericht wies die Klage damals mit den Worten ab, es sei schon denknotwendig unmöglich, sich eine einmal abgeführte Steuer mehrfach erstatten zu lassen. "Die mehrfache Erstattung hat über die Jahre eine unüberschaubare Zahl von Beteiligten satt gemacht", hatte der Vorsitzende Richter Benno Scharpenberg zur Urteilsbegründung gesagt. "Wir haben es hier mit einer kriminellen Glanzleistung zu tun."

Eine Grundsatzentscheidung zu der Spielart, Cum-Ex-Geschäfte über US-Pensionsfonds abzuwickeln, fehlte bislang allerdings. Das war im Jahr 2011 der letzte Umweg, den die Cum-Ex-Akteure noch zu nehmen versuchten, um den Fiskus weiter auszutricksen. Es war auch eine vom Bundeszentralamt für Steuern verweigerte Auszahlung an einen solchen US-Fonds, mit der die Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals begann.

Das BFH-Urteil dürfte auch ein weiterer Schlag für Cum-Ex-Mastermind Hanno Berger sein. Der hatte dem Pensionsfonds gute Chancen vor dem BFH eingeräumt. In einem Interview mit der Fachzeitschrift Juve hatte er im Herbst 2019 noch gegen die Kölner Entscheidung gewettert: "Das FG Köln liegt tatsächlich in jeder Hinsicht falsch", hatte Berger gesagt. Die Chancen für einen Sieg vor dem BFH hatte er darin hingegen als gut eingestuft.

Der frühere Steueranwalt Berger ist einer der prominentesten Akteure in der Cum-Ex-Affäre und mittlerweile in Bonn und Wiesbaden in unterschiedlichen Fällen wegen des Vorwurfs schwerer Steuerhinterziehung angeklagt. Die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft hat ihn "Spiritus rector" genannt, den geistigen Vater der Steuertricks. Nachdem er jahrelang im Exil in der Schweiz lebte, saß er dort zuletzt einige Monate in Auslieferungshaft und ist mittlerweile in Deutschland in U-Haft angekommen. Von Anfang April an soll an den Landgerichten Bonn und Wiesbaden gegen ihn verhandelt werden. Berger bestreitet, sich jemals strafbar gemacht zu haben.

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