Ausbaustrecke München - Mühldorf - Freilassing:Bahnausbau verzögert sich um Jahre

Ausbaustrecke München - Mühldorf - Freilassing: Der Bahnausbau verzögert sich um Jahre, doch der Bahnübergang zum Tonwerk auf dem alten Meindl-Gelände wird in Kürze schon mal geschlossen.

Der Bahnausbau verzögert sich um Jahre, doch der Bahnübergang zum Tonwerk auf dem alten Meindl-Gelände wird in Kürze schon mal geschlossen.

(Foto: Renate Schmidt)

Die Gründe für den "neuen Zeitplan" haben mit Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zu tun. Ein vermeintliches Beschleunigungsgesetz und eine per Erlass geschenkte Eisenbahnbrücke bei Weidenbach entfalten massive Bremskraft.

Von Florian Tempel, Dorfen

Am Ausbau der Bahnlinie München - Mühldorf - Freilassing (ABS 38) wird seit langer Zeit geplant. Bis 2030 wollte man damit durch sein. Es wird ja auch mal Zeit, dass eine so intensiv genutzte Strecke durchgehend zwei Gleise bekommt und elektrifiziert wird. Doch nun verzögert sich alles, erklärte Klaus-Dieter Josel, der Konzernbevollmächtigte der Bahn für den Freistaat Bayern, nach einem Treffen des Projektbeirats der ABS 38 in Mühldorf. Man brauche etliche Jahre mehr, wie viele sei noch nicht klar. Dass es mal etwas länger dauert als gedacht, kommt vor. Die zwei Gründe für die Verzögerungen bei der ABS 38 sind allerdings geradezu absurd und sie haben beide mit Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zu tun.

Vor zwei Jahren wurde vom Bundestag ein neues Gesetz beschlossen, das die Genehmigung großer Verkehrsprojekte schneller machen sollte. Das Bundesverkehrsministerium pries das Gesetz mit dem überlangen Namen Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz als aktiven Klimaschutz an, da es die "Umsetzung von wichtigen umweltfreundlichen Verkehrsprojekten beschleunigen" werde. Der Ausbau der Bahnlinie München - Mühldorf - Freilassing inklusive der Walpertskirchener Spange wurden an Platz Nummer eins einer Liste mit je einem Verkehrsprojekt pro Bundesland gesetzt.

Die Realisierung sollte schneller gehen, indem man sich lästige Klagen spart

Den Bahnausbau per Gesetz zu beschließen, statt auf althergebrachte Weise in einem Planfeststellungsverfahren, verfolgt einen einzigen Zweck: Die Realisierung sollte schneller gehen, indem man sich lästige Klagen spart. Der anvisierte Zeitgewinn ist überhaupt und tatsächlich das einzige Argument dafür, den normalen Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zu versperren. Das Bundesverfassungsgericht hat das in einem Urteil 1996 zu einem früheren Maßnahmengesetz als zulässig bewertet. Man dürfe das, wenn "hierfür im Einzelfall gute Gründe bestehen, etwa weil die schnelle Verwirklichung des Vorhabens von besonderer Bedeutung für das Gemeinwohl ist". Tja, das funktioniert wohl in der Praxis eher nicht so richtig.

Klaus-Peter Zellmer, der Gesamtprojektleiter der ABS 38 erklärte, warum eine Genehmigung per Maßnahmengesetz "uns doch eher ausbremst, als dass wir beschleunigt werden". Zum einen müssten Umweltprüfungen unter Beteiligung der Öffentlichkeit, die früher parallel zum Genehmigungsverfahren gemacht werden konnten, nun zwingend vorher vorgenommen werden. Das koste schon mal mindestens ein Jahr. Nach dem kompletten Prüfungsprozess der Ausbaupläne durch das Eisenbahnbundesamt, der sich sonst kaum vom früheren Prozedere unterscheidet, muss dann das oder die Maßnahmengesetze für die ABS 38 formuliert werden. Wahrscheinlich wird es mehrere einzelne Gesetze für jeden Ausbauabschnitt geben. Jedes Gesetz muss durch die zuständigen Bundestagsausschüsse, dann folgen drei Lesungen mit Diskussionen im Plenum, eventuelle Nachbesserungen, schließlich die Beschlussfassung und zum Abschluss muss der Bundesrat zustimmen. Danach gibt es ein Jahr Zeit, das Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen und es dort prüfen zu lassen. Da die ABS 38 das erste Maßnahmengesetz seiner Art werden soll, werde das sehr wahrscheinlich der Fall sein, sagten Zellmer und Josel. Man habe im vergangenen Jahr in Gesprächen in Berlin vergeblich versucht, die Strecke München - Mühldorf - Freilassing wieder aus der Liste der durch Maßnahmengesetze zu beschließenden Verkehrsprojekte herauszubekommen, sagte Zellmer. Ohne Erfolg. "Dieses Gesetz ist politischer Wille."

Die Brücke in Weidenbach kostet Millionen mehr - egal, der Bund zahlt alles

Doch auch ohne die Entschleunigung per Gesetz, hätte sich alles verzögert. Ex-Minister Andreas Scheuer hat mit einem Ministererlass dem politischen Willen der Gemeinde Heldenstein und des Mühldorfer Kreistags entsprochen und festgelegt, dass in Weidenbach eine Eisenbahnüberführung gebaut wird, was so nicht geplant war. Die Deutsche Bahn wollte lieber einen bestimmten Bahnübergang schließen und eine 1,8 Kilometer lange Straße bis zur nächsten Überführung bauen. Da die Bahnplaner die nicht vorgesehene Eisenbahnbrücke bei Weidenbach "von Null an" planen müssen, kostet auch das mehrere Jahre Zeit. Die Brücke, wie sie von Ex-Minister Scheuer erlassen wurde, wird wesentlich teurer, vielleicht sieben oder acht oder noch mehr Millionen Euro kosten. Aber egal, die Kosten übernimmt auf Scheuers Entscheidung hin der Bund. In Dorfen, wo man erst letztens einen Brief aus dem Berliner Verkehrsministerium erhalten hat, in dem noch einmal betont wurde, man sei gesetzlich verpflichtet, immer die wirtschaftlichste Lösung zu nehmen, wird man den Ministererlass mit besonderem Interesse zur Kenntnis nehmen. Ach ja, und in Dorfen wird ein Bahnübergang mitten im Ort geschlossen, obwohl noch jahrelang nicht gebaut wird.

Klaus-Peter Zellmer wird sich mit allem dem nicht mehr befassen müssen. Er hat nach sechs Jahren als Gesamtprojektleiter keine Lust mehr, hat bei der Deutschen Bahn gekündigt und wechselt zum 1. April als Projektleiter für Groß- und Megaprojekte zum Bauunternehmern Hochtief.

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