Putin:Krieg aus Dummheit?

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Selbst wenn man Russlands Präsidenten Unvernunft vorwirft, so muss sich der Westen eine gewisse Mitschuld eingestehen, hat er die Gefahr falsch eingeschätzt.

Zu "So dumm" vom 5./6. März:

Von Einsicht und Ohnmacht

Was treibt die Mächtigen, wenn sie das Leben von Millionen Ohnmächtigen zerstören? Dummheit? "Es fehlen der Wille, die Fähigkeit und das Interesse, die Folgen des eigenen Tuns zu bedenken." Gilt das nicht für jedermann, der Teil eines Krieges ist. Für Angreifer wie für Verteidiger? Wer einen aggressiven Machtkampf der Dummheit anlastet, müsste auch überlegen, dass der Klügere nachgibt - "Ich nicht!" lautet die Devise der Dummen wie der Klugen. Blau-gelbe Fahnen sind keine weißen Fahnen.

Die unglaubliche Verbohrtheit, selbst gesetzte Ziele ohne Rücksicht auf Verluste erreichen zu wollen, zeichnet Menschen leider aus. Und wenn sie die Macht haben plus die Soldaten, die es ermöglichen, diese Ziele mit Krieg zu erreichen, dann sind sie grausame, schreckliche, barbarische Monster, aber nur von außen betrachtet dumm. Dummerweise betrachten die Kriegsteilnehmer Kriege nie von außen, schon gar nicht die Soldaten, die dem Kriegsherrn als Werkzeug dienen. Dass die Ächtung des Krieges ohne die Ächtung des Kriegers wirkungslos ist, wissen alle Pazifisten.

Die bittere Verwobenheit von Macht und Ohnmacht in einem Krieg, die Torheit von Herrschern seit Troja zeigen die Worte des Persers Attaginos, der vor zweieinhalb Jahrtausenden, den eigenen Untergang vor Augen, sagte: "Von all diesen Menschen wirst du in kurzem nur noch ein kleines Häuflein am Leben sehen... Was ich sagte, ist vielen unter den Persern bewusst, und doch folgen wir dem Zwang, der uns fesselt. Und der schlimmste von allen menschlichen Schmerzen ist der, große Einsicht zu haben und keine Macht." (Herodot 9.16)

Gabi Baderschneider , Sinzing

Mitschuld

Wenn man im Zusammenhang mit der Entstehung dieses Krieges von "Dummheit" spricht, sollte man zunächst sich selbst ins Visier nehmen. Es hätte die Nato-Staaten nichts gekostet, auf Russlands Fragen einzugehen. Es sei denn, man sieht alles nur unter dem Aspekt wirtschaftlicher Vorteile, nicht zuletzt den Wünschen der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist zu verurteilen, ebenso aber auch das provokative Vorgehen der Nato.

Prof. Dr. med. Hans Wenzl, Siegen

Logik der westlichen Sichtweise

Was folgt aus der Feststellung, dass der umfassende militärische Angriff auf die Ukraine seitens Putin als dumm zu bewerten ist? Ist es die Hoffnung, dass sich diese Dummheit am Ende darin zeigt, dass Russland wirtschaftlich und in sich zerrissen daniederliegt oder die Welt erkennt, dass heute Krieg kein Mittel zur Konfliktlösung mehr darstellt? Die Einordnung, aus Dummheit heraus zu handeln, nützt also wenig, wenn die Gefahr der "dummen Handlung" nicht rechtzeitig erkannt wird.

Die dem Artikel zugrunde liegende Logik ist dahingehend zu einseitig, da sie zu sehr auf der Logik der westlichen Sichtweise basiert. Vielleicht sollte man die Frage stellen, ob wir nicht die Dummen waren, da wir nicht in der Lage waren, einen ehemaligen Geheimdienstchef in seinem Willen und Handeln richtig einzuschätzen. Die maßgebende Denkweise eines Geheimdienstlers ist völlig anders als die eines Präsidenten, welcher für das Wohl seines Volkes kämpft. Jeder Handlung, egal ob sie als dumm, angebracht oder genial einzustufen ist, ist ein zugrunde liegendes Interesse zuzuordnen. Dieses Interesse Putins wurde von der westlichen Gedankenwelt nicht erfasst, daher ist die Überraschung nunmehr groß. Aber waren wir zu dumm, sein "geheimes Interesse" zu erkennen?

Volker Boeckelmann, München

© SZ vom 24.03.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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