Verkehr:An der Ampel bitte warten

Verkehr: Abbiegen bei Rot: Das erlaubt das sogenannte Grünpfeil-Schild, im amtlichen Verkehrszeichenkatalog unter der Nummer 720 zu finden.

Abbiegen bei Rot: Das erlaubt das sogenannte Grünpfeil-Schild, im amtlichen Verkehrszeichenkatalog unter der Nummer 720 zu finden.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Der grüne Pfeil markiert ein Stück Freiheit und stammt ausgerechnet aus der DDR: Hier dürfen Autofahrer auch bei Rot rechts abbiegen. Nun schrauben viele Städte die Schildchen ab - und rühren am Kern ostdeutscher Identität.

Von Jan Heidtmann

Die Zahl der in Deutschland montierten Verkehrszeichen wird auf 20 Millionen geschätzt. Ein paar mehr oder weniger machten da keinen Unterschied, würde man denken. Doch gerade einmal zwei Dutzend führen derzeit zu einer recht aufgeregten Debatte in den neuen Bundesländern: In Sachsens Metropole Leipzig sollen 24 Grünpfeile abgeschraubt werden. An Straßenecken mit Grünpfeil dürfen Autofahrer auch bei roter Ampel rechts abbiegen. Ein Stück Freiheit, übrig geblieben ausgerechnet aus der DDR.

Von Zittau bis Rostock streiten Medien und Bewohner nun um das Für und Wider des kleinen Metallschilds. "Wird der Grüne Pfeil auch in Cottbus abgeschafft?", titelte eine Regionalzeitung aus Brandenburg. Sven Haller, Staatssekretär im Verkehrsministerium von Sachsen-Anhalt, kann die Unruhe durchaus verstehen: "Die Menschen fragten sich: 'Jetzt verschwindet der Grünpfeil - warum eigentlich?'"

Die Demontage rührt am Kern ostdeutscher Identität. Der Grünpfeil ist neben dem Ampelmännchen eines der wenigen Überbleibsel des Arbeiter- und Bauernstaats, die dauerhaft Platz im vereinigten Deutschland gefunden haben. Ein "Exportschlager", wie Haller sagt. Seit 1978 existierte das schlichte Verkehrszeichen im Osten Deutschlands, 1994, fünf Jahre nach dem Fall der Mauer, wurde im Berliner Bezirk Reinickendorf der erste Pfeil im Westen installiert. Als Verkehrszeichen 720 machte das simple Signal quer durch die Bundesländer schnell Karriere. Hamburg schraubte gleich 360 der Pfeile an seine Pfosten, in Berlin waren es mehr als 100. Die Experten waren sich einig: Staus würden verringert, der Verkehrsfluss beschleunigt.

Vom "Fahrradkillerpfeil" spricht der Verkehrsexperte

Doch die anfängliche Euphorie über das verbindende Element zwischen Ost und West wich bald der Ernüchterung. Eine Studie der Technischen Universität Dresden bestätigte, was schon länger vermutet wurde: Die Zeitersparnis an einer Ecke sei meist an der nächsten schon wieder perdu. Stattdessen behinderten unachtsame Rechtsabbieger regelmäßig Fahrradfahrer und Fußgänger. Der Pfeil sei ein "überflüssiges Verkehrszeichen" heißt es beim Auftraggeber der Studie, der Unfallforschung der Versicherer (UDV). Die Zahl der einst 5000 installierten Zeichen schrumpft seitdem stetig, immer mehr Städte ziehen die Pfeile aus dem Verkehr. Stattdessen wurde 2020 der Grüne Pfeil nur für Fahrradfahrer in die Straßenverkehrsordnung aufgenommen.

Der Verkehrsexperte Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin würde den Grünpfeil am liebsten endgültig abschaffen. Er sei ein typisches Verkehrszeichen der DDR, in der es nur wenige Autos und deshalb nur wenig Verkehr gegeben habe, meint er. Doch bei den immer voller werdenden Straßen in den Metropolen sei der Grünpfeil "kreuzgefährlich". Knie nennt ihn den "Fahrradkillerpfeil". Der größte Teil der Kollisionen zwischen Autos und Fahrrädern geschähe beim Rechtsabbiegen. "In einer modernen Stadt darf der Grünpfeil keine Rolle mehr spielen", sagt Knie.

Diesen Akt der Selbstdemontage will Sachsen-Anhalt nicht mitmachen. Zwar wurden auch in Magdeburg und Halle schon Pfeile abgeschraubt, und natürlich stehe auch hier die Verkehrssicherheit im Vordergrund, sagt Staatssekretär Haller. Eine Abbauaktion wie in Leipzig sei aber nicht geplant. "Der Grünpfeil ist in Sachsen-Anhalt gelebtes Kulturgut", sagt Haller.

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