Landtagswahl im Saarland:Bitter bis süß

Landtagswahl im Saarland: Die Siegerin Anke Rehlinger will allein regieren - und muss nun überlegen, mit wem sie all die Ämter besetzt.

Die Siegerin Anke Rehlinger will allein regieren - und muss nun überlegen, mit wem sie all die Ämter besetzt.

(Foto: Oliver Dietze/dpa)

Der Nachgeschmack der Saar-Wahl prägt die Montagsreden der Verlierer und Gewinner. Entblößend ehrlich die Erklärung der Liberalen: Ihnen sei kein mobilisierendes Thema eingefallen.

Von Gianna Niewel, Saarbrücken

Der Tag nach einer Landtagswahl kann bleiern sein. Da haben sich Hochrechnungen zu Ergebnissen verfestigt, da ist klar, wer gewonnen hat und wer verloren, und während die Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten in den Berliner Parteizentralen Blumensträuße bekommen (oder Trost), wird in den Ländern darüber spekuliert, wie eine neue Regierung aussehen könnte.

Dieser Montag war anders.

Als die Vertreterinnen und Vertreter der Parteien in den saarländischen Landtag kommen, hat Wahlsiegerin Anke Rehlinger schon verkündet, wie sie regieren möchte: alleine. Die SPD hat die absolute Mehrheit gewonnen, 43,5 Prozent, macht 29 von 51 Landtagssitzen. Die restlichen Sitze teilen sich CDU und AfD. Aber dass die Frage nach der Regierung beantwortet ist, heißt nicht, dass es nichts mehr zu klären gäbe.

Der erste Vertreter ist dann auch gleich der mit dem vermutlich schwersten Gang vor die Mikrofone und Kameras. Alexander Funk, Fraktionsvorsitzender der CDU. Seine Partei holte das schlechteste Ergebnis seit 1955, nur 28,5 Prozent. Sie seien mit ihren Themen nicht durchgedrungen, den Rest würden sie hinter verschlossener Tür besprechen.

Wobei die Tür am Montagabend schon wieder aufging und heraus kam Tobias Hans. Nach einem Treffen des Landesvorstands kündigte er an, den Parteivorsitz der CDU im Saarland abgeben zu wollen, er übernehme damit die "volle Verantwortung" für die Niederlage. Die Nachfolge soll auf einem vorgezogenen Parteitag am 28. Mai geklärt werden, als möglicher Kandidat gilt Landtagspräsident Stephan Toscani. Ob Hans sein Mandat behält und als Abgeordneter im Landtag bleibt, ließ er offen.

FDP, Grüne, Linke - jeder Verlierer hat seine Erklärung

Die AfD trat bei der Landtagswahl ohne Spitzenkandidat an - Mitglieder der Partei hatten die Landesliste zurückgezogen, weil sie mit der Besetzung nicht einverstanden waren - und so sprach Josef Dörr aus dem Wahlkreis Saarbrücken. Er erklärte das Ergebnis von 5,7 Prozent zunächst mit "Umständen", um sich dann zu beschweren, dass seine Partei in den Medien nicht vorgekommen sei. Kurze Nachfrage, könnte es auch an ihrem Zustand gelegen haben? Daran, dass sie so zerstritten ist, dass die Bundespartei einen Notvorstand einsetzen musste? Dass sie sich untereinander als "Zecken" beschimpfen? "Wahrscheinlich schon." Drei Sitze hat die AfD im neuen Landtag, und glaubt man einigen Mitgliedern, kommen drei gewählten Männer nicht miteinander aus.

Und dann sind da noch die anderen kleinen Parteien, FDP, Grüne, Linke, sie alle mussten erklären, wieso sie es nicht über fünf Prozent schafften. Während sie sich in der Bewertung der Ergebnisse ähnelten - "verheerend" (die Linke), "bitterer Wahlabend" (FDP), "nach wie vor bitter" (die Grünen) - unterschieden sie sich dann doch in ihrer Analyse.

Thomas Lutze von den Linken verwies nach Berlin, wo sich die Bundespartei "dusselig" angestellt habe, vor allem aber nach Merzig-Silwingen. Dort wohnt Oskar Lafontaine, der zehn Tage vor der Wahl aus der Partei ausgetreten war. Was Lutze nicht sagte: Dass er Teil des Streits ist, der die Linken seit Jahren spaltet, dass auch er einen Anteil haben dürfte an den 2,6 Prozent. Auf dem nächsten Parteitag werde er nicht mehr als Vorsitzender antreten.

Die FDP schickte Oliver Luksic, der in Berlin Staatssekretär im Verkehrsministerium ist und in Saarbrücken Landesvorsitzender, und der nicht lange brauchte, um einen ersten Grund zu nennen. Den Liberalen habe ein mobilisierendes Thema gefehlt. Sie hätten lange überlegt, aber "da ist uns ehrlicherweise keins eingefallen". Am Wahlabend blieben die Balken dann bei 4,8 Prozent stehen. Wobei sicher auch ein Problem gewesen sei, dass sie bisher nicht im Landtag vertreten waren und deshalb der Apparat fehlte, in manchen Landkreisen hätten sie Plakate aufgehängt, mehr nicht.

Die Tierschutzpartei schaffte halb so viele Stimmen wie die Grünen

Lisa Becker von den Grünen musste ein besonders bitteres Ergebnis erklären, 4,995 Prozent, ihnen fehlten 23 Stimmen. Gerade versuchten sie, bei den Gemeindewahlausschüssen eine Neuauszählung zu erreichen. Ihnen habe geschadet, dass gleich mehrere Parteien mit ökologischen Themen angetreten sind, die Tierschutzpartei etwa schaffte es auf 10 391 Stimmen, fast halb so viele wie die Grünen. Dass auch sie zerstritten waren? "Klar gibt es auch innerparteiliche Querelen."

Während die kleinen Parteien erklären mussten, wieso sie so schlecht abgeschnitten haben, wieso es bei AfD, Grünen, Linken so oft um Interna ging und so wenig um Inhalte, hat die SPD ganz andere Sorgen. Sie muss Personal für all die Posten finden.

Gerade besteht die Regierung neben dem Ministerpräsidenten aus sechs Ministerinnen und Ministern, drei davon stellt die SPD. Sollte dieser Ressortzuschnitt bleiben, müsste sie nicht nur die restlichen Ministerien besetzen, sondern auch all die Abteilungen, Referate, Büros. Da müssen Staatssekretärinnen benannt werden, Pressesprecherinnen gefunden. Wie sie das machen wollen? Der Fraktionsvorsitzende Ulrich Commerçon sagte am Montag, was es am Montag zu sagen gab: Man rede erst über die Inhalte, dann über die Organisationsstruktur und dann übers Personal.

Und so ist am Tag nach der Wahl in Saarbrücken zwar vieles schon klar, aber manches eben doch noch im Vagen.

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