Bäckerei Neulinger:Kaffee, Kuchen und Knetmaschinen

Lesezeit: 3 min

Bäckermeister Ludwig Neulinger in seiner Sendlinger Backstube. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Bäckerei Neulinger in Sendling ist ein ungewöhnliches Café: Die Gäste schauen den Bäckern bei der Arbeit zu. Dabei entsteht ziemlich viel Lärm - und sehr gutes Brot.

Von Judith Bauer

Die einen schuften, die anderen nippen am Cappuccino: In der Bäckerei Neulinger in Sendling teilen sich Gäste den Raum mit den Bäckerinnen und Bäckern. Die offene Backstube bestimmt die Szenerie.

Aus dem hinteren Teil der Backstube dröhnen die Maschinen, der ganze Raum ist erfüllt von stetigem Rumpeln, ab und zu piepst es laut. Trotzdem sind die Stimmen der Bäcker zu hören, die gut gelaunt ihre Arbeit machen, ab und zu singt sogar jemand. Bei all der Brotback-Idylle mag man nur nicht daran denken, wann für die weißgekleideten Menschen der Tag losging.

Nur eine Plexiglasscheibe trennt den Verkaufsraum von der Arbeitsfläche. (Foto: Stephan Rumpf)

Berufe, die ohne Laptop und Online-Konferenzen auskommen, lösen ja ohnehin bei vielen Menschen nostalgische Gefühle aus. Und so ist es auch mit dem Blick in die Backstube: Teigberge werden aus Bottichen gehoben, Arbeitsflächen mit Mehl bestäubt, es wird geknetet, gerührt und in Form gebracht. Nur eine Plexiglasscheibe steht zwischen den Gästen und der Arbeitsstätte, wo Brot, Brezen und Semmeln entstehen.

Durch die große Fensterfront kommt viel Licht in den schlicht gestalteten Verkaufsraum. Nicht nur die Geräuschkulisse, auch die Einrichtung der Bäckerei erinnert an einen schicken Fabrikraum: Boden in Beton-Optik, schwere Bühnenstrahler über der Theke und schlichte runde Holztische. Der Gast bestellt an der Theke und trägt sein Frühstück auf einem Tablett zum Platz. Dass bei all dem Industriecharme keine Hipster-Gefühle aufkommen, liegt daran, dass das Bäckerhandwerk hier kein bisschen inszeniert wirkt.

Noch stehen im Café eher wenige Tische, das soll sich bald ändern. (Foto: Stephan Rumpf)

Man wolle niemandem etwas vorgaukeln, sondern authentisch sein, sagt Inhaber und Bäckermeister Ludwig Neulinger. Deswegen dürfen die Schürzen der Bäckerinnen und Bäcker schmutzig werden und es darf ihnen mal Teig am Arm kleben: "Es ist halt so, wie es ist." Die Kundschaft soll sehen, wie es in einer Backstube zugeht. Die offene Gestaltung war seine Idee, vor rund fünf Jahren hat er sie in Sendling umgesetzt.

Besonders wichtig seien ihm biologische Zutaten, sagt Neulinger. Konventionelle Bäckereien dürften für ihr Brot aus einem Pool von 198 Zusatzstoffen wählen - das wolle er selbst nicht essen. Als er sich vor 20 Jahren selbständig machte und seine erste Bäckerei eröffnete, nahm er daher schnell die Backmischungen aus dem Sortiment. Inzwischen hat er fünf Filialen in München und ist stolz, dass sein Brot und seine Brötchen das Bioland-Siegel tragen. Die vier Geschäfte in Haidhausen, Neuhausen und im Schlachthofviertel erhalten alle ihre Produkte aus der Backstube in Sendling.

Die Theke ist gut gefüllt, die Kuchenauswahl groß. (Foto: Stephan Rumpf)

Bis zur Mittagszeit wird jeden Tag gebacken. Wer danach kommt, verpasst also die singenden Bäcker, kann seinen Kaffee dafür aber in Ruhe trinken, ungestört vom Krach der Knetmaschinen.

Was gibt es und was kostet es?

Es gibt keine Karte mit großer Auswahl, sondern vier Frühstücke, die mit Kreide an der Wand stehen. Zum Französischen Frühstück gehören Croissant, Butter und Marmelade (für 2,50 Euro), zum Kleinen Frühstück ein Brotkorb mit zwei Semmeln, Butter, Marmelade und Ei (4,50 Euro), beim Vital Frühstück erhält man zwei Körnersemmeln, verschiedene Käsesorten, Müsli, Honig, Butter und einen kleinen Orangensaft (8,90 Euro) und das Große Frühstück besteht aus einem Brotkorb mit zwei Semmeln und Croissant oder Brioche, hausgemachter Nougatcreme, Marmelade, Butter, Ei, Schinken, Käse und einem kleinen Orangensaft (10,90 Euro). Kaffee wird extra bestellt, er kommt von der Münchner Rösterei Fausto und wird gekonnt mit Latte Art verziert.

Der Platz auf den Tischen ist etwas knapp, wenn man zu zweit kommt. Und auch die Tabletts muss man etwas unelegant irgendwo zwischenlagern. Eine schicke Angelegenheit ist das also nicht, stattdessen geht es erkennbar ums Wesentliche: gutes Essen und vor allem gutes Brot. Die Semmeln suchen die Gäste sich selbst aus, die Auswahl ist groß. Sie sind so lecker, dass man sie am liebsten nur mit Butter essen würde.

Viel auf dem Teller, wenig Platz auf dem Tisch: das Vital Frühstück (links) und das Große Frühstück. (Foto: Stephan Rumpf)

Wer etwas Süßes möchte, dem empfiehlt die Geschäftsführerin Gabriele Kiesewetter den "Käsefladen". Ein riesiger Käsekuchen, "richtig fluffig und lecker".

Das Essen ist frisch und von guter Qualität. Die Teller sind bunt garniert mit frischem Obst und Gemüse.

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Wen trifft man dort?

"Uns ist wichtig, dass wir einfach der Bäcker im Viertel sind, bei dem die Sendlinger ihre Brötchen kaufen", sagt Gabriele Kiesewetter. Sie freut sich darauf, wieder mehr Tische und Stühle ins Café zu stellen, sobald die Pandemie-Situation es zulässt. Dann wird es auch wieder einfacher sein, mit einer größeren Gruppe Platz zu finden. Die Bäckerei Neulinger bietet sich aber auch an für einen kurzen morgendlichen Zwischenstopp mit einem guten Kaffee und etwas Kleinem aus der Theke.

Aber auch wer sich für das große Frühstück entscheidet, bei dem Einiges auf den Tisch kommt, verlässt die Bäckerei Neulinger nicht so schwerfällig und rundgegessen wie andere Frühstückslokale: Das Gefühl von wohliger Betriebsamkeit, das von den arbeitenden Bäckern ausgeht, nimmt der Gast mit nach Hause - ebenso wie etwas Mehlstaub auf dem Mantel.

Neulinger Brot & Feinbäckerei , Gotzinger Straße 48, 81317 München, Öffnungszeiten: Montag bis Samstag 6.30 bis 18 Uhr, Sonn- und Feiertag 8 bis 17 Uhr

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